Elfenmeer: Roman (German Edition)
Magie nimmt dich immer mehr gefangen. Und wenn du mich tatsächlich liebst …«
»Natürlich liebe ich dich!«
Ihr Ausdruck wurde hart, fremd. »Wie kannst du mir dann so weh tun?«
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen zwischen ihnen,Avree hörte nur noch seinen eigenen Herzschlag in seinem Kopf pochen. Dann fiel sein Blick auf die umgestoßenen Kelche. »Woher kommt all das so plötzlich?« Er erkannte seine eigene Stimme nicht mehr, sie klang weinerlich, wie die eines Menschen. »Wir hatten alles, Nayla. Soll das, was zwischen uns bestand, denn eine Lüge gewesen sein?« Er starrte auf das blutrote Piratentuch in seinen Händen und schüttelte den Kopf. Sein Herz schien in tausend Splitter zu zerfallen. »Die ganze Zeit über, als ich dachte, dass du mich liebst, hast du mich verachtet.«
»Nein!«
Er spürte, dass sie näher kam, aber er hob die Hand und so blieb sie stehen. »Ich dachte, wir hätten eine innige Verbindung«, murmelte er, wobei er nicht mehr wusste, ob er mit ihr oder mit sich selbst sprach. »Du, ich und die Magie. Wir waren eine Einheit, die Großes vollbrachte. Du warst meine Sicherheit.«
»Kannst du mich denn nicht ohne Magie lieben?«, flüsterte sie, und jetzt, da er ihr Gesicht nicht sah, klang ihre Stimme noch hoffnungsloser.
Wieso hatte er es nicht bemerkt? Das Feuer war Macht für ihn, Energie, ein Rausch, der ihn davontrug. Er konnte sich nicht vorstellen, dass das Feuer für jemand anders solche Qualen bedeutete. Ihm war bewusst gewesen, dass Nayla einen kurzen Moment des Schmerzes verspürte, wenn er sie nicht schützte. Einen Schmerz, den er sich vorstellte, als schneide man sich in den Finger. Ein kurzes Brennen, das sofort wieder verging. Schließlich war Nayla eine Kämpferin, tapfer wie keine andere. Wieso sagte sie, das Feuer wäre ein Schmerz, den sie nicht ertragen könnte? Es war doch ein angenehmer Schmerz, befreiend, kribbelnd und mächtig.
Langsam sah er hoch in ihr befremdlich erscheinendes Antlitz.Ihre Augen waren gerötet, ihre Wangen tränennass. Sie sah zerstört aus – er hatte sie zerstört.
Die Erinnerung an ihre qualerfüllten Schreie drang in sein Bewusstsein. Sie war in sein Feuer getreten, seine Macht, sein Ich, und sie war daran zerbrochen.
Was verband sie noch miteinander, wenn alles andere eine Lüge gewesen war?
»Avree?« Nayla sah ihn flehentlich an, und er wusste, dass sie auf ihre Frage eine Antwort bekommen wollte. Konnte er sie ohne Magie lieben? Zwang sie ihn tatsächlich zu dieser Entscheidung? In Wahrheit hatte sie ihm diese doch schon abzunehmen versucht. Sie hatte versucht, ihm die Magie zu entreißen.
»Du hättest mit mir sprechen können«, sagte er und erschauerte beim eiskalten Klang seiner Stimme, die nicht zu ihm zu gehören schien. »Stattdessen hast du mich hintergangen.«
»Du hättest mir nicht zugehört.«
Doch, das hätte er, aber vermutlich hätte er sie nicht verstanden, denn auch jetzt konnte er sie nicht verstehen.
Nayla breitete die Hände aus. »Ich weiß, dass es falsch von mir war. Anfangs wollte ich es auch gar nicht tun. Aber dann sah ich keinen anderen Ausweg mehr. Es stimmt, was die Königin sagt: Du hast kein Recht, mich zu verletzen, egal, wie sehr ich dich liebe. Und du hast kein Recht, andere in Gefahr zu bringen. Ich habe Angst um dich. Es muss aufhören.«
Avree riss die Augen auf, und der Zorn kam so plötzlich zurück, dass er das Gefühl hatte, davon verschluckt zu werden. Er warf das Piratentuch beiseite und ging auf sie zu.
»Die Königin?!«
Naylas Miene gefror. Schreck stand ihr ins Gesicht geschrieben,und da wurde ihm plötzlich alles klar. Seine Ahnung bestätigte sich: Es war die Königin, die für Naylas Veränderung verantwortlich war, wenn auch in einem weit größeren Ausmaß, als er angenommen hatte. Wie lange mochte sie schon in Naylas Ohr flüstern, um die Piraten zu zerstören? Was hatte sie gesagt, um Nayla einbrechen zu lassen?
Es war die Königin. Sie hatte Nayla und ihn zerstört. Hatte alles zerstört.
Seine Beine setzten sich in Bewegung, ohne dass er darüber nachdenken musste. Er stürmte zur Tür, doch Nayla verstellte ihm den Weg.
»Nein!« Sie presste ihre Hände gegen seine Brust. »Denk nach, ehe du etwas tust, was du hinterher bereust!«
»Der Kristall ist von ihr, nicht wahr?«
Nayla schwieg, doch er wusste, dass er recht hatte, wie sonst sollte sie an dieses Gift gekommen sein?
»Geh mir aus dem Weg«, knurrte er.
Nayla schüttelte den Kopf. »Ich
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