Elfenmeer: Roman (German Edition)
sagen, und obwohl es in dieser Situation völlig unpassend war, hoben sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln. Er hatte ihr das Leben gerettet, und vielleicht … irgendwann, würde sie ihm vergeben, dass er es ihr einst beinahe genommen hatte.
*
»Es wird nicht leicht, den Untiefen auszuweichen. Diese Karte scheint sehr präzise, aber wir wissen nicht, ob das nicht eine Falle ist.« Esteraz blickte von dem zerknitterten Pergament auf. Seine dunklen Purpuraugen starrten ihn mit einer Intensität an, die alles andere als angenehm war, doch Valuar bemühte sich, sein Unbehagen zu verbergen.
»Die Menschenfrau gab diese Informationen unter Folter preis«, erwiderte er und wies auf das Pergament. »Wir können nicht einmal mit Gewissheit sagen, dass sie bei klarem Verstand war und sich an alle Riffe erinnern konnte.«
»Nein, das können wir nicht.« Esteraz wandte sich ab und blickte auf den Hafen hinaus, wo die königliche Flotte klar Schiff gemacht wurde. Jetzt, da der Feuerprinz und die menschliche Kapitänin mit ihrem Piratenschiff entkommen waren, galt es, keine Zeit mehr zu verlieren. Sie mussten angreifen und die Königin befreien. Wer wusste schon, was die Piraten ihr nach der Folterung der Menschenfrau antun würden? Sie mussten alles auf eine Karte setzen und die Piraten miteinem Schlag vernichten. Sonst gab es für die Königin keine Hoffnung mehr.
»Der Fürst will, dass wir zum Unterwasserpalast segeln.« Esteraz drehte sich wieder zu ihm um und nahm das Pergament in die Hand. »Egal, ob diese Karte korrekt ist. Er will, dass wir das Risiko eingehen.«
»Wenn sie nicht korrekt ist, sinkt eine gesamte Flotte in der Versenkungsbucht auf den Grund des Meeres.«
»Und wenn sie es ist, haben wir den Schlüssel zur Vernichtung der Piraten und zur Befreiung der Königin in der Hand.« Esteraz strich sich das lange Haar aus dem Gesicht, das der Wind als schneeweiße Strähnen auf sein nicht minder weißes Gewand wehte. Die eingewebten Silberornamente darauf funkelten unter den versengenden Strahlen der Sonne. »Wenn wir die Piraten beim Unterwasserpalast stellen, haben wir ein Druckmittel, das sie nicht mehr ignorieren können. Es wird uns zwar nicht gelingen, das Meer zu teilen – schon gar nicht mit der Kristallkönigin in der Nähe –, aber wir werden trotzdem eine Bedrohung für den Palast darstellen. Der Korallenfürst weiß, dass wir, wenn wir erst einmal den Standort gefunden haben, auch einen Weg ersinnen werden, unter die Oberfläche zu dringen. Er wird uns die Königin aushändigen. Er muss uns die Königin aushändigen, wenn er all die Menschen dort unten schützen will.«
»Die Riffe sind aber nur ein Problem«, erwiderte Valuar und blickte hinaus zum Hafen, wo Arbeiter damit beschäftigt waren, das von den Flammen zerstörte Netz wiederherzustellen. Der Feuerprinz hatte seinen Weg aus dem Hafen hinaus mit Feuer geebnet, und seit seinem Entkommen in der vergangenen Nacht war bereits ein halbes Dutzend Ruderboote gekentert, und drei Dutzend Matrosen waren ertrunken. Nur wenige Meerjungfrauen hatten in den Hafen eindringen können,aber genügend, um auch Schäden an den Schiffen der Flotte anzurichten. Einzig von der Kristallkönigin hatten sie sich ferngehalten.
»Wir sollten den Halbelfen fragen«, meinte Esteraz und wies zum Palast hoch, der vom Hafen aus unbeschädigt wirkte und wie eh und je im Sonnenlicht flimmerte. »Vielleicht bekommt Marinel etwas aus ihm heraus, wenn er wieder bei Bewusstsein ist. Er wird wissen, wie stark die Meerjungfrauen tatsächlich sind.«
»Ihr meint, das alles ist nur ein Mythos? Die Meerjungfrauen wären gar nicht in der Lage, jedes Schiff zu versenken, das in die Bucht fährt?«
»Ich meine, dass auch ihre Fähigkeiten Grenzen haben müssen. Es waren Ruderboote, die ihnen im Hafen zum Opfer fielen. Unsere Dreimaster konnten sie weder versenken noch ernsthaft beschädigen.«
Valuar dachte an die Schreie der Arbeiter am Netz, die von grünen, algengleichen Armen umschlungen worden und für immer in den Fluten verschwunden waren. »Hier waren es aber auch nur wenige Meerjungfrauen«, gab er zu bedenken. »Wenn diese Handvoll in der Lage war, solchen Schaden anzurichten, möchte ich nicht wissen, was eine Vielzahl von ihnen zu tun imstande ist.«
Esteraz nickte nachdenklich, dann seufzte er. »Ist Marinel noch immer beim Halbelfen?«
Valuar unterdrückte ein Brummen und versuchte, seinen Unmut zu verbergen. »Sie unterstützt die Heiler und versucht etwas
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