Elfenmeer: Roman (German Edition)
dass alle hier eine Reaktion auf die direkten Worte des Fürstensohnes erwarteten, doch der junge Ritter kümmerte sie im Moment weniger als die Elfe. Mit einem knappen Vorrücken des Kinns wies Liadan auf die weiten Kleider der Elfe, die von einem Schwertgurt gehalten wurden.
»Du trägst keine Rüstung, Marinel.«
Die Elfe, die immer noch etwas ungehalten darüber zu sein schien, dass ihr Kamerad versucht hatte, die Beschützerrolle zu übernehmen, blickte an sich hinab und schüttelte den Kopf. »Majestät, es hat zweierlei Gründe, dass ich dieses Gewand trage. Zum einen bin ich gar kein Ritter. Ein Unfall bei meiner Prüfung verhinderte dies leider.« Sie hob ihre rechte Hand, und Liadan erkannte mit Schrecken, dass Daumen und Zeigefinger fehlten. Noch ehe sie jedoch ihr Mitgefühl ausdrücken konnte, fuhr die Elfe schon fort. »Zum anderen folgteich dem Rat des Herrn Esteraz, der es für unklug hält …«, sie warf dem ordentlich gerüsteten Valuar von Valdoreen einen flüchtigen Blick zu, »ein Schiff mit einer Rüstung zu begehen. Lieber sterbe ich durch einen Schwertstreich, als elendig zu ertrinken, Majestät.«
Liadan nickte. Sie konnte diese Entscheidung nachvollziehen, war sie doch selbst in ihrer Zeit der Gefangenschaft zweimal kurz vor dem Ertrinken gewesen. Einmal durch die Hand der Meerjungfrauen und einmal bei ihrem einfältigen Fluchtversuch. Doch ein Name, den die Elfe genannt hatte, ließ sie aufhorchen.
»Sag, Marinel, auf welchem Schiff finde ich den Herrn Esteraz?«
Der Ausdruck der Elfe verdüsterte sich, und auch die Umstehenden senkten die Blicke, scharrten mit den Füßen und räusperten sich. Marinel drehte sich halb herum und wies zur Kristallkönigin , auf der, soweit Liadan es erkennen konnte, Piraten gerade dabei waren, die ineinander verkeilten Schiffe voneinander loszuschlagen.
»Majestät, die Kristallkönigin befindet sich in Feindeshand. Herr Esteraz ist ihr Kapitän.«
Liadans gesamter Körper spannte sich an. Sie ließ ihren Blick über den mickrigen Rest ihrer Flotte schweifen, und obwohl der Korallenfürst jetzt allein dastand, hatte er immer noch die Mannschaften der beiden verstorbenen Kapitäne sowie deren Schiffe und die Kristallkönigin . Es war unmöglich, ihn jetzt noch zu besiegen, auch wenn Liadan ihn lieber vernichtet gesehen hätte. Sie musste sich wieder auf ihre eigentlichen Ziele besinnen, und solange da draußen ein Pirat herumsegelte, der sowohl ihre Mission als auch ihre Seele in Gefahr brachte, konnte sie nicht aufatmen. Noch weniger konnte sie Esteraz in deren Fängen lassen. Zu viel verband sie mit demRinieler. Zu lieblich war die Erinnerung an eine Zeit, als sie nur eine junge Prinzessin gewesen war, unbeschwert und arglos. Esteraz hatte eine zu große Rolle in diesem blendend hellen Leben von einst gespielt, als dass sie ihn seinem Schicksal überlassen konnte.
»Ich will, dass du ihn holst, Marinel. So, wie du mich geholt hast.«
Schweigen herrschte, und als Liadan ihren Kopf zu der Elfe drehte und sie ansah, blickte diese kläglich drein. »Majestät. Dies ist die Kristallkönigin . Meine Magie wirkt bei ihr nicht. Mein Sturm käme nie so nahe heran, um den Herrn Esteraz zu befreien. Ich … verzeiht mir, Majestät.«
Liadan wandte sich abrupt ab und blickte wieder zur Kristallkönigin . Sie war frei, es war Zeit, nach Hause zurückzukehren und mit Ardemir das weitere Vorgehen zu besprechen. Sie konnte nicht den Rest ihrer Flotte gefährden, nur um einen Einzigen zu retten. Und doch … Sie wünschte, sie müsste Esteraz nicht zurücklassen, wünschte, sie könnte eine Entscheidung treffen, die ihrer Seele keinen weiteren Schmerz zufügte, aber sie war nun einmal, wer sie war.
»Seht nur!« Der schrille Aufschrei der Kapitänin ließ sie zusammenzucken.
Liadan fuhr zu ihr herum, doch noch ehe sie nachfragen konnte, rannte die Frau zur Bordwand und deutete wild zur Kristallkönigin . Liadan folgte ihr und kniff die Augen ein wenig zusammen. Da war etwas im Meer. Zwei Gestalten. Sie entfernten sich von der Kristallkönigin . Ob es denn möglich sein konnte?
Schneeweißes Haar blitzte über den Schaumkronen auf, und Liadan hatte keinen Zweifel mehr. Dies war der einstige Botschafter Esteraz. Er hatte gemeinsam mit einem Zweiten entkommen können. Vermutlich war seine Mannschaft längsthingestreckt, und die Piraten hatten lediglich den Kapitän und diesen anderen am Leben gelassen.
Ihr Blick fiel auf die Freiheit , und wie befürchtet
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