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Elfenmeer: Roman (German Edition)

Elfenmeer: Roman (German Edition)

Titel: Elfenmeer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Qunaj
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sie mit vertrauter Intensität an.
    »Du bist hergekommen.«
    »Ich bin hier, um mich zu verabschieden.«
    »Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen.«
    Marinel senkte den Blick, starrte auf die dunklen Umrisseihrer Stiefel. Ihre Linke führte sie an ihren Hals, wo sie ihren Talisman umschloss. Sie brauchte Kraft. Sie war hier, um Arn Trost zu spenden, ungeachtet der Frage, ob er diesen verdiente. Sie konnte einfach nicht in ihrer Kammer sitzen, wissend, dass Arn ganz allein war, in Gedanken bei seinem nahenden Tod. Sie hatte es versucht. Sie hatte sich nach dem Urteilsspruch zurückgezogen und versucht, die Gerechtigkeit in diesem Urteil zu entdecken, der Königin zu vertrauen und Arns Tod gutzuheißen. Schließlich hatte er wissentlich einen Weg eingeschlagen, der in den Untergang führte. Doch anstatt Genugtuung über seine Strafe zu empfinden, hatte sie ihn immer wieder vor sich gesehen, allein, frierend in der Dunkelheit, voller Angst. Da spielte es keine Rolle, was er getan hatte, er verdiente es nicht, allein zu sein. Niemand verdiente das.
    »Wie geht …?« Marinel schüttelte den Kopf. Was für eine absurde Frage! Wie sollte es einem Todgeweihten schon gehen?
    »Ich bin in Ordnung«, antwortete Arn jedoch zu ihrer Überraschung und sah sie weiterhin von der anderen Raumseite her an. Sie spürte seinen Blick zu deutlich; seine tiefe, klare Stimme griff nach ihr und umhüllte sie. »Ich habe mich damit abgefunden – schon vor langer Zeit. Ich wusste stets, dass ich den höchsten Preis für den Untergang der Piraten und die Freiheit meiner Königin zahlen würde. Ich wusste es schon immer. Ich bin bereit.«
    Nun blickte sie doch noch auf, ihre Finger schlossen sich weiterhin um den Talisman. »Bereust du es?« Sie wusste nicht, wie sie zu dieser Frage kam, sie hatte die Worte ausgesprochen, ehe sie darüber nachdenken konnte.
    Ein Seufzer war zu hören, doch Marinel wusste, schon ehe sie seine Stimme hörte, dass er ehrlich antworten würde.
    »Nein.« Das Stroh raschelte, und die Silhouette bewegtesich langsam auf sie zu. »Ich behaupte nicht, dass es nicht weh tut. Es schmerzt mich sogar sehr … die Erinnerung an seinen Fall … Du weißt, es war immer mein Wunsch, meinen Vater auf den rechten Pfad zu lenken. Als kleiner Junge dachte ich immer, es würde mir gelingen – mit der Zeit. Ich müsste nur lange genug durchhalten, dann würde mein Vater erkennen, dass er ein Verräter war, dass er der Königin Treue schuldete. Ich dachte …« Er lachte bitter. »Ich dachte, er würde einst ein Ritter werden.«
    Marinel biss sich auf die Unterlippe. Ein Ritter. Welches Kind träumte nicht davon, der Sohn oder die Tochter von Rittern zu sein? Von Männern und Frauen, die loyal zur Krone standen und für Ehre und Gerechtigkeit kämpften. Aber die Wirklichkeit sah nun einmal anders aus. Arn war der Sohn von Piraten und Marinel ein elternloses Stallmädchen.
    »Und doch bereust du nicht.« Er sollte ihr einen Grund nennen, irgendetwas, das rechtfertigte, dass sie sich hier befand, nachdem sie sein blutiges Werk betrachtet hatte. Irgendetwas, das sie noch an ihn glauben ließ. Aber im Grunde wusste sie, dass sie vergeblich wartete. Er hatte die Menschenfrau gefoltert, und er würde seine Tat weder in schöne Worte hüllen noch Ausreden erfinden. Dazu war er zu ehrlich.
    Arn blieb zwei Schritte vor ihr stehen. »Mein Vater war ein Verräter. Er hielt die Königin gefangen, gefährdete ihre Mission des Friedens. Er musste sterben. Wer bin ich, etwas so Großem im Wege zu stehen? Wer bin ich, der Königin den Rücken zu kehren? Wie würde diese Welt aussehen, wenn sich jeder diese Freiheit nähme? Die Königin steht für Gesetz und Ordnung. Sie steht für Friede und Gerechtigkeit. Ohne sie … ohne sie wäre das Land dem Untergang geweiht. Ich bin nur ein Diener, meine Hoffnung war vergebens.«
    Marinel nickte, denn das konnte sie gut nachvollziehen.Auch sie spürte, dass die Königin alle Fürstentümer zusammenhielt und somit alle Elfen in diesem Land. Für die Königin würde sie sterben, so, wie es die Aufgabe eines Ritters war. Aber der Feuerprinz war einen anderen Weg gegangen, auch wenn sein Sohn ihn zur Läuterung bewegen wollte. Hätte Arn doch nur etwas weniger auf seinen Hass und mehr auf die Liebe zu seiner Königin gehört. Er hätte das werden können, was er sich für seinen Vater immer gewünscht hatte: ein wahrer Ritter.
    »Der Schwur deines Vaters nahm dir die Zeit, ihn zu retten.«
    Arn schnaubte.

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