Elfenmeer: Roman (German Edition)
sehr, und dass er ihre Hilfe, ihre Nähe, nicht annehmen konnte, brachte ihn fast um den Verstand.
»Ich sehe es doch«, flüsterte sie und massierte mit sanftem Druck seinen Nacken. »Ich kenne dich fast mein ganzes Leben lang, du kannst vor mir nichts verbergen. Es ist der Drache, nicht wahr? Er quält dich.«
Ardemir zwang sich zu einem Nicken. Es war besser, sie bezog seinen inneren Aufruhr auf sein Drachenproblem, als dass sie ahnte, weshalb er in ihrer Gegenwart tatsächlich so unruhig war.
»Und deshalb werde ich dich begleiten.«
Ardemir biss die Zähne zusammen. Sich ihr nicht anvertrauen zu können, schmerzte ihn zutiefst. Er musste sie endlich loswerden! Wie lange sollte er sie noch belügen?
»Vin…«
»Keine Widerrede. Mein Platz ist an deiner Seite.«
»Dein Platz ist im Sonnental.«
»Die kommen dort gut ohne mich zurecht. Ardemir, ich lasse dich doch nicht allein in einen Kampf ziehen, währenddu schon einen mit dir selbst ausfechten musst. Wer soll denn auf dich achtgeben?«
»Ich brauche dich nicht, um auf mich achtzugeben!«
Vinae starrte ihn an. Sie wich nicht zurück, riss nicht erschrocken die Augen auf, sondern sah ihn nur an, sodass ihm keine andere Wahl blieb, als sich abzuwenden. Unruhig lief er vor der untersten Stufenreihe auf und ab, dabei konzentrierte er sich auf seine Stiefel, die durch den wabernden Nebel zu seinen Füßen glitten.
»Es tut mir leid, Vin«, brachte er schließlich hervor. »Ich will einfach nur, dass du mich verstehst. Du kannst mich nicht begleiten.«
»Wieso nicht?« Misstrauen klang aus ihrer Stimme, und Ardemir wusste, dass er alles falsch machte. Draußen warteten Fürst Vlidarin und eine ganze Kriegsschar Silberritter, um auf eine geheime Mission zu gehen, während Valuar und der Fürst von Riniel in den Süden gereist waren, um die Königin zu befreien. Er musste Vinae davon überzeugen, heimzugehen, ehe sie noch etwas ahnte.
»Ardemir, antworte mir.«
Seufzend blieb er stehen und starrte auf den Baum, der wider alle Gesetze der Natur aus einem Felsen herauswuchs und ohne Licht und Wasser überlebte. »Ich diene der Königin, Vin. Mehr brauchst du nicht zu wissen.« Er drehte sich zu ihr um und sah ihr direkt ins Gesicht. »Gehe jetzt bitte.«
Vinaes Augen verengten sich. Sie ließ ihn einige Augenblicke lang die Intensität ihres eisblauen Blickes spüren, dann drehte sie sich auf dem Absatz um und stürmte hinaus.
Ardemir fühlte eine Last von seinen Schultern weichen, gleichzeitig nahm das enge Gefühl in seiner Brust aber noch zu. Er hatte Mühe zu atmen und verharrte noch etwas länger im verlassenen Sternensaal, ehe er sich nach draußen in denHof begab. Überall sah er sich nach Vinae um, doch er konnte sie nirgends entdecken. Blieb nur zu hoffen, dass sie bereits das Weltentor außerhalb von Lurness zurück ins Sonnental durchquert hatte.
»Befehlshaber!« Der Fürst von Valdoreen kam auf ihn zu und sah sich ebenso inmitten der zum Aufbruch bereiten Ritter um. »Habt Ihr … Ist das Problem gelöst?«
Ardemir blickte zum Tor des oberen Hofs und atmete tief durch. »Ich hoffe es. Wir sollten aber kein Risiko eingehen. Sagt der Nachhut, sie sollen aufpassen, dass wir von niemandem verfolgt werden.«
»Glaubt Ihr, die Fürstin des Sonnentals würde uns nachspionieren?«
Ein Lächeln breitete sich auf Ardemirs Gesicht aus, während ihn ein zärtliches Gefühl überkam. Er wusste, dass es keinen Grund zum Lächeln gab, und doch konnte er beim Gedanken an Vinaes Engstirnigkeit nicht anders. »Ich weiß es.«
Liadan
Ein Scheppern riss sie zurück ins Bewusstsein, gefolgt von einem Fluch. Vor sich hin murmelnd schimpfte die fremde Stimme weiter, während Liadan langsam die Augen öffnete und sich zu erinnern versuchte, was geschehen war. Sie war bei der Amtseinsetzung der Silberritter gewesen und dann … Nichts. In ihrem Gedächtnis herrschten Dunkelheit und Stille. Wo war sie hier?
Über ihr erstreckten sich dunkle Holzlatten, von woher das Poltern und Schleifen von unzähligen Schritten erklang. Es war ihr unmöglich, sich vorzustellen, welcher Elf derartigen Lärm beim Gehen verursachen konnte, schließlich war ihr Volk leichtfüßiger als jedes andere. Um sie herum war ein beständiges Gluckern und Knarren zu vernehmen, und sie hatte das Gefühl, geschaukelt zu werden.
Liadan schnappte nach Luft. Wasser. Die Welle. Ein Schiff.
Um Atem ringend fuhr sie hoch und sah sich in der zwielichtigen Kabine um. Mit nur einem Blick nahm sie
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