Elfenmeer: Roman (German Edition)
Königin.
»Majestät.« Er verneigte sich mit ausgebreiteten Armen, während sich der Korallenfürst schweigend an seine Seite begab. »Willkommen, gnädigste Hoheit, auf diesem unsinkbaren Gefährt. Es ist uns eine Freude, dass Ihr uns mit Eurer Anwesenheit beehrt.«
Die Königin blickte in stoischer Ruhe auf den Kobold hinab,und Nayla bewunderte sie für ihren Gleichmut. Streng genommen war sie ja entführt worden, auch wenn dies nur zu ihrem Besten geschehen war. Schließlich war sie kurz davor gewesen, ganz Elvion zu zerstören, auch wenn Nayla immer noch hin- und hergerissen war, ob sie den Plan der Königin verwünschen oder befürworten sollte. Da gab es eine gemeine Stimme in ihr, die sagte, dass die Piraten unrecht hatten, doch dieser Stimme durfte sie nie nachgeben.
»Es war nicht meine Entscheidung, hierherzukommen«, erwiderte die Königin und hob ihren Blick, um zum Korallenfürsten aufzusehen. »Ich weiß nicht, was Ihr mit mir vorhabt, aber ich versichere Euch: Ihr werdet Euren Willen nicht bekommen.«
Der Korallenfürst verzog seine Lippen zu einem leisen Lächeln und schritt um die Königin herum. Langsam umrundete er sie und ließ seinen Blick über sie gleiten, wobei er alles an ihr bis ins kleinste Detail wahrzunehmen schien. Nayla erinnerte sich daran, selbst diesem wachsamen Blick aus den magischen Augen ausgesetzt gewesen zu sein. Damals hatte sie den Kapitän des Handelsschiffes getötet und die Widerstand für sich beansprucht. Der Korallenfürst war ebenso um sie herumgeschlichen, doch anders als die Königin war Nayla dabei nicht ruhig geblieben. Sie hatte ihn angefaucht und ihm entgegengeschleudert, dass sie kein Pferd auf dem Markt sei, dessen Wert bemessen werden musste. Das Schiff gehörte ihr und er könnte es ihr nicht wegnehmen. Von da an war sie eine von ihnen gewesen, und er hatte sie zum ersten Mal auf die Stirn geküsst, nachdem er ihr zuvor eher misstrauisch begegnet war. Auch heute war er ihr gegenüber eher zurückhaltend, aber er hatte sie in seine Mannschaft aufgenommen.
Die Königin reagierte jedoch kaum auf diese Begutachtung. Sie hob lediglich den Kopf ein wenig an und blickte stoischgeradeaus. Ihr pechschwarzes Haar fiel ihr glatt wie Seide bis knapp über die Hüfte; die silbernen Strähnen darin funkelten unter den Strahlen der Sonne. Die weiße Haut an ihrem schlanken Hals und den schmalen Schultern blitzte über dem mitternachtsblauen Kleid hervor, das sich wie ein kleiner See um ihre Füße wand. Sie war so schön, dass sie kaum ein lebendiges Wesen sein konnte, eher ein Gemälde oder eine Skulptur. Sie war makellos.
Mit zusammengepressten Lippen blickte Nayla zu Avree hoch, der den Fürsten und die Königin schmunzelnd beobachtete. Er schien sich zu amüsieren, denn in seinem Blick lag eher Spott als Verehrung. Wie konnte er beim Anblick einer solchen Elfe keine Sehnsucht empfinden oder gar Begierde? Wie war es möglich, dass er sie, Nayla, einen Menschen, ansah, als wäre sie das Kostbarste auf der Welt?
Plötzlich rührte Avree sich und blickte auf sie hinab. Er überragte sie fast um zwei Haupteslängen, und so stand er gleich einem Turm neben ihr. Mit einem Augenzwinkern legte er seinen Arm um ihre Schultern und wandte sich wieder dem Geschehen an der Bordwand zu. Der Fürst hatte seine Begutachtung gerade beendet und baute sich vor der Königin auf.
»Sorgt Euch nicht, meine Königin«, meinte Flosse und trat ein wenig näher, »Euer Aufenthalt hier wird für alle ein Gewinn.«
»Ihr werdet nicht gewinnen«, erwiderte die Königin, und ihrer Stimme war nicht anzumerken, ob sie wütend oder gar verängstigt war. »Meine Ritter werden mich finden.«
Flosse fuhr sich mit der Hand übers Kinn und zog an seinem Ziegenbart. »Das mag wohl sein, doch bis dahin seid Ihr allein.« Er deutete zu den umstehenden Leuten. »Wir wollen einzig mit Euch reden, und Euch zeigen jeden, der unter Eurer Herrschaft leidet, weil Ihr immer noch die Wahrheit meidet.«
Die fein modellierten Augenbrauen der Königin zogen sich zusammen, dies war die einzige Gefühlsregung seit Koralles und Flosses Eintreffen.
»Könnt Ihr nicht sprechen?«, fragte sie den Korallenfürsten plötzlich direkt und wies auf den Kobold. »Oder wollt Ihr mich zermürben? Wenn es das ist, so kann ich Euch sagen, dass ich schon Schlimmeres überstanden habe als einen reimenden Wicht.«
Nayla konnte ein Lachen kaum unterdrücken, als sich die Augen des Kobolds verengten.
»So nennt mich nur einen
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