Elfenmeer: Roman (German Edition)
einander näher kennenzulernen. Euer Freund da drüben beim Fest scheint jede Gelegenheit zu nutzen, die Rinieler Damen näher kennenzulernen.«
»Ich dachte, Ihr wärt nicht bei dem Fest gewesen.«
»Das war ich auch nicht. Wie gesagt: Mein Platz ist im Schatten, aber aus dem Schatten lässt es sich gut ins Licht blicken. Ich habe auch Euch dort gesehen. Ich habe beobachtet, auf welche Weise Ihr den Valdoreener angeschaut habt.«
»Das alles geht Euch nichts an.«
»Mag sein.« Arn beugte sich ein wenig vor, um ihr ins Gesicht zu blicken. »Und doch bin ich neugierig. Ihr werft Fragen auf, Marinel. Wieso seid Ihr hier, obwohl Ihr kein Ritter seid? Wieso vertraut Herr Esteraz Euch? Wieso wollt Ihr eine Welt ohne Magie? Wie kommt es, dass Ihr stets Fragen stellt und interessiert seid? Und weshalb müsst Ihr bei jedem Schritt Schmerzen erleiden?«
Marinel schloss die Augen, doch Arn war noch nicht fertig. »Ich stelle mir diese Fragen, seit ich Euch zum ersten Mal gesehen habe. Seit Ihr mir Euer Schwert an die Brust gesetzt habt. Schreibt es der Eintönigkeit auf einem Schiff zu, aber Ihr seid das interessanteste und schönste Wesen, das mir je begegnet ist.«
Langsam blickte Marinel auf in das ausdrucksstarke Gesicht Arns. Ein Zittern überfiel ihren angespannten Körper. »Ihr redet Unsinn«, sagte sie, doch Arn schüttelte den Kopf. »Ich hätte schwören können, Ihr seid eine Königin, Marinel.«
»Das liegt wohl daran, dass Ihr auf Eurem Schiff nicht viel zu sehen bekommt.«
Arn lachte laut auf. »Vielleicht.« Seine Hand berührte ihre Schulter, und Marinel war sich nicht sicher, ob sie zurückweichen sollte. Er machte sie nervös. »Vielleicht habe ich auch einfach nur gute Augen.«
Sie warf ihm einen flüchtigen Blick zu. »Was wollt Ihr mit diesen Schmeicheleien bezwecken?«
»Wieso seid Ihr so misstrauisch? Ich will gar nichts bezwecken.«
»Jeder Elf verfolgt ein Ziel. Manche gehen dafür über Leichen.«
»Ihr sprecht aus Erfahrung.«
Ja, wollte sie schon sagen, doch sie wusste, dass sie nicht über die Ritterprüfung sprechen durfte. Das würde alles nur noch komplizierter machen, und gegen Valuar – den Sohn des Fürsten von Valdoreen – kam sie nicht an. Also drehte sie sich nur um und lehnte sich gegen den Stamm, so, wie Arn es zuvor getan hatte. Sie sah zu ihm auf und er erwiderte ihren Blick, doch eine Weile sagte keiner von ihnen etwas.
Schließlich brach Arn das Schweigen, aber Marinel wünschte, er hätte es nicht getan.
»Wie ist das passiert?«, wollte er wissen und wies auf ihre Hand. »Weicht mir nicht wieder aus.«
»Wieso wollt Ihr das …?«
»Nein.« Er hob seine Hand. »Antwortet einfach. Ist die Ursache dieser Verletzung tatsächlich ein solch großes Geheimnis, oder würde ich sie erfahren, wenn ich einen der Ritter fragte?«
»Jeder Ritter würde Euch sagen, dass ich mir die Verletzungen am Knie und an der Hand während meiner Ritterprüfung zugezogen habe.«
»Deshalb habt Ihr nicht bestanden.« Es war keine Frage. »Und jetzt seid Ihr hier, um Euch den Respekt der Königin und den der anderen Ritter zu verdienen. Den Respekt Eures Valdoreener Anführers.«
»Ich spucke auf Valuars Respekt.«
»Ah.« Arn nickte langsam, und sie hatte das Gefühl, alsschaue er direkt durch ihre Haut in ihr Innerstes. »Wer war Euer Partner bei der Prüfung? Ich habe gehört, dass Ritteranwärter stets paarweise antreten.«
Ein Schauder zog über ihren erhitzten Körper, und Marinel konnte nichts gegen das Wort tun, das ihr von den Lippen kam. »Valuar.«
Arn schien nicht überrascht und lehnte sich neben ihr an den Stamm. Sein Arm berührte ihre Schulter. »Es war seine Schuld.« Wieder stellte er keine Frage, und Marinel bemerkte zu spät, dass sie vor Schreck die Augen aufriss. Rasch zwang sie sich zu einer ausdruckslosen Miene, aber er hatte es bereits bemerkt. » Er hat Euch das angetan.«
Marinel wollte widersprechen, doch sie konnte nicht. Im Gegenteil: Sie wollte ihm alles erzählen, wollte endlich den Vulkan zum Explodieren bringen, denn er brodelte schon viel zu lange vor sich hin. Manchmal hatte sie das Gefühl, er würde sie in tausend Stücke zerreißen, wenn sie nicht endlich die Wahrheit sagte. Es war, als würde sie daran ersticken, und Arns direkte Art verführte sie dazu, selbst genauso ehrlich zu sein. Also nickte sie. Sie wusste, dass das eine Dummheit war, aber gleichzeitig fühlte es sich auch befreiend an. Wieso vertraute sie sich diesem Fremden an?
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