Elfenmeer: Roman (German Edition)
Gespräch mit Esteraz von einem Schwur berichtet, den er bisher geheim gehalten hatte. Aus Sentimentalität und falscher Hoffnung, wie er gemeint hatte. Doch jetzt, da die Piraten die Königin entführt hatten, waren sie zu weit gegangen. Also hatte Arn den Rinielern dieses wichtige Detail verraten, und jetzt wussten die Ritter der Königin, wie sie die Piraten verletzen konnten. Sie konnten sie zwingen, die Königin freizulassen.
»Ihr würdet Euren Vater in den Tod schicken?«, brach Marinel die Stille, die einzig vom Nachhall der Festmusik gestört wurde. Jetzt war es an ihr, seine Ehrlichkeit zu testen und Antworten zu fordern.
Arn legte den Kopf schief, und seine Hand in ihrem Rücken verstärkte kaum merklich seinen Griff. Aber er wich ihr nicht aus. »Er ist ein Pirat«, sagte er leise und sah ihr aufmerksam in die Augen. »Er war mir nie ein Vater. Immer nur mein Kapitän. Ein Piratenkapitän.«
»Und Eure Mutter?«
Er presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und hob den Kopf, um über sie hinwegzublicken. »Sie war ein Mensch und starb vor langer Zeit.«
»Das muss sehr schwer für Euch gewesen sein.«
»Ich war damals noch sehr jung. Ich erinnere mich kaum noch an sie. Aber ich weiß, dass er ihr weh getan hat.«
»Er?«
»Der Feuerprinz. Er benutzte meine Mutter, so, wie er all seine Frauen benutzt.«
Marinel dachte an all das, was sie vom Feuerprinzen gehörthatte, doch es fiel ihr immer noch schwer, sich ein Bild von dem Mann zu machen, der Arn gezeugt hatte.
»Was ist mit dieser Kapitänin?«, fragte sie. »Der Feuerprinz hat geschworen zu sterben, wenn sie stirbt … Ist sie auch nur eine von vielen, oder …?«
Abrupt blickte Arn auf sie hinab, und beim Anblick seiner sturmumwölkten Miene wäre sie beinahe zurückgewichen. »Nayla wird sterben«, sagte er mit hasserfüllter Stimme, die gar nicht zu dem Elfen passen wollte, den sie in ihm sah. »Sie wird die Piraten für mich in den Untergang führen, und ich werde derjenige sein, der sie am Ende tötet.«
»Was hat sie Euch angetan?«
Arns Stirn zog sich in Falten, und er schien darüber nachzudenken, ob er ihr antworten sollte. Doch dann vollführte er eine weitere Drehung mit ihr, atmete hörbar ein und sagte: »Sie hat jede Hoffnung auf ein rechtschaffenes Leben vernichtet. Sie trieb den Feuerprinzen endgültig in den Wahnsinn, sodass er der Magie verfiel und nie einsehen wird, dass das Leben als Pirat unrecht ist. Sie hat ihm diesen Schwur entlockt.«
Marinel sah ihn an und spürte ein Ziehen in der Magengegend. Sie hat ihm diesen Schwur entlockt . Sie nahm ihm den Vater, den er nie besessen, aber immer bitter nötig gehabt hatte. Hatte Arn tatsächlich gehofft, dass er seinen Vater retten, ihn gar läutern könne? Er war noch jung, das wusste sie, und er musste geglaubt haben, dass es eine Zukunft für ihn und seinen Vater geben würde. Aber sein Vater liebte eine Menschenfrau, so, wie er Arns Mutter nie geliebt hatte, und deshalb würde sein Leben in absehbarer Zeit enden.
Arn musste das Gefühl haben, er wäre seinem Vater gleichgültig, schließlich zögerte dieser nicht, ihn einfach alleinzulassen – und zu sterben für eine Frau. Es war verständlich, dasser seinen Zorn auf Nayla projizierte, wenn auch nicht vernünftig.
Irgendwie konnte sie ihn verstehen, schließlich hatten Marinels Eltern sie auch nicht haben wollen. Aber Hass brachte niemanden weiter, wie sollte sie ihm das in so kurzer Zeit begreiflich machen? Schon in zwei Tagen würde sie die Hammer besteigen, um die Piraten ausfindig zu machen. Laut Arn segelten sie nahe der Dracheninsel. Wie sollte sie ihm erklären, dass Nayla nicht die Ursache für sein Leid war, sondern sein schwacher Vater? Worte schienen dafür nicht geeignet, denn sein Schmerz saß bereits viel zu lange viel zu tief. Er würde ihr zuhören, sie aber als ahnungslos abtun. Das einzige Mittel, seinen Hass zu vertreiben, war, ihn den Hass vergessen zu lassen – ihn zu überlagern. Und Marinel wollte, dass er aufhörte zu hassen. Sie wusste nicht, weshalb, doch in ihr brannte das Bedürfnis, die Schwermut aus seinem Blick schwinden zu lassen. So, wie er ihr ein Stückchen Freiheit geschenkt hatte, als sie ihm ihr Geheimnis anvertraut hatte. Nie zuvor war ihr jemand wie er begegnet, der so offen aussprach, was er dachte, den Mut hatte, Schmerz und Trauer einzugestehen, sich derart verletzlich zeigte und gleichzeitig nicht davor zurückschrak, den Schmerz von anderen mitzutragen und
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