Elfenmeer: Roman (German Edition)
Körpers auf sonderbare Weise bewusst. Von den Zehen- bis zu den Fingerspitzen fühlte sie sich lebendig. So spürte sie die scharfen Metallsterne an seinem Gürtel, die gegen ihren Bauch drückten, ertastete die rundlichen Spitzen seiner Ohren, als sie ihm über das teilweise geschorene Haar strich. Sie fühlte eine Leichtigkeit wie schon lange nicht mehr. Alles andere spielte im Moment keine Rolle, denn schon am nächsten Morgen würde Arn wieder verschwinden, mit ihrem Geheimnis, mit seiner berauschenden Wirkung auf sie, und Marinel könnte sich wieder auf ihre Aufgabe konzentrieren, die über allem stand. Er konnte ihr nicht gefährlich werden.
Ardemir
Die Ruderblätter tauchten gleichmäßig ins Wasser und wieder auf. Eisige Tropfen spritzten ihm ins Gesicht und gefroren auf seiner Haut. Auf seinem Brustpanzer legte sich Reif nieder. Überflüssig zu erwähnen, dass es kalt war, denn sie wären nicht in Valdoreen, wenn es anders wäre.
Das Boot schaukelte hin und her, und Ardemir klammerte sich zu beiden Seiten an die Holzwände. Seine Finger waren bereits taub, und Ardemir hätte sich nicht gewundert, wenn sie festgefroren wären. Er mochte gar nicht daran denken, was geschähe, wenn eine dieser bedrohlich hoch schaukelnden Wellen das Ruderboot zum Kentern brächte. In seiner Rüstung hätte er keine Möglichkeit, sich an der Oberfläche zu halten. Auch fürchtete er um die anderen Boote, die sich um ihn herum befanden. Überall saßen Ritter mit angespannten Mienen, während die Valdoreener Bootsführer in ihren Fellumhängen und Kapuzen mit einer Seelenruhe durch die Gischt pflügten, als gäbe es nichts Friedlicheres auf der Welt.
Ein banger Blick über die Schulter bewies Ardemir, dass sie bereits zu weit von der Küste entfernt waren, um eine Rettung zu garantieren. Schneebedeckte Hügel beherrschten die Landschaft hinter ihm und wirkten ein wenig wie Sanddünen, nur dass sie weiß unter den ersten Strahlen dieses Morgens funkelten. Der Fluss, von dem aus sie ins Meer hinausgefahren waren, bahnte sich in glitzerndem Blau zwischen den Hügeln hindurch ins Landesinnere. Es war ein wunderschöner Anblick,und wenn es nicht so kalt gewesen wäre, hätte Ardemir ihn auch genießen können.
Ob es ihm im Falle eines Unglücks wohl gelingen würde, sich rechtzeitig in einen Drachen zu verwandeln und die Rüstung zu durchbrechen? Vielleicht könnte er so einem Tod durch Ertrinken entgehen. Aber all die anderen Ritter …
Weitere düstere Gedanken blieben ihm erspart, denn nun erreichten sie nach einer gefühlten Ewigkeit endlich die Insel. Rumpelnd schlitterte das Boot über Eisbrocken ans Ufer, wo sie bereits von elfischen Kriegern und menschlichen Arbeitern erwartet wurden. Wohin Ardemir auch blickte, überall war Eis, selbst die Häuser schienen daraus zu bestehen. Die schwarzen Löcher der Türöffnungen waren die einzige Unterbrechung des alles beherrschenden Weiß um ihn herum, und auch zur Seeseite hoben sich nur Menschen und Ruderboote von der gleißenden Umgebung ab. Fast schon fühlte er sich wie in den Weißen Hallen des Weltentors, die er vorhin noch durchschritten hatte.
»Mein Herr.« Ein Mensch in dick gefütterter Kleidung und mit einer Wollhaube auf dem Kopf trat aus der Linie des aufgereihten Begrüßungskomitees. Seine Haut war ungewöhnlich dunkel und bildete einen starken Kontrast zum Schnee um ihn herum. Falten gruben sich tief in das menschliche Gesicht, das ein wenig wie ein mit Leder überzogener Schädel aussah. Ein schauriger Anblick, und die nicht weniger dunklen Augen taten ihr Übriges, um in Ardemir Unwohlsein hervorzurufen.
Am Rande bemerkte er, wie sich seine Ritter hinter ihm an Land mühten und sich genauso staunend umsahen, während von der Insel her immer mehr Leute herbeiströmten, darunter auch ein paar Krieger.
»Mein Name ist Istas«, sagte der Mensch, während er in geduckter Haltung von einem Bein aufs andere trat. »Ich binhier der Vorsteher. Verzeiht meine Unwissenheit, doch habe ich für gewöhnlich die Ehre, mit Fürst Vlidarin von Valdoreen zu sprechen. Andere hohe Herren besuchen diese Insel nur selten.«
Ardemir blickte seinem Gegenüber einen Moment lang prüfend in die Augen. Er bereute bereits, vorausgeeilt zu sein und nicht auf Vlidarin gewartet zu haben. Der Fürst von Valdoreen befand sich noch in seinem Schneepalast und sammelte die Truppen zur Verteidigung der Insel. Ardemir hatte gefürchtet, dass die Piraten bereits hierher unterwegs waren – wer
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