Elfenmeer: Roman (German Edition)
wusste schon, was sie Liadan antaten, um den Standort von ihr zu erfahren? Daher hatte er sich so schnell wie möglich mit seinen Rittern zur Verstärkung der Inselbesatzung aufgemacht. Doch jetzt musste er sich mit den Menschen hier herumschlagen.
»Ich bin Ardemir«, antwortete er, auf die misstrauischen Gesichter der Umstehenden blickend. »Befehlshaber der Silberritter.« Mit diesen Worten deutete er zu seinen besten Kriegern und Kriegerinnen, die alle vertrauenswürdig und erfahren waren. Sie hatten bereits einige Schlachten überlebt und bis aufs Letzte gekämpft, sie waren abgehärtet und ernüchtert. Auf sie konnte er sich verlassen. »Ich bin der Vetter der Königin und bringe Verstärkung für eure Besatzung.«
»Verstärkung?« Der Mensch ließ seinen Blick über die Elfenritter gleiten, die mit der Sonne im Rücken in ihren von Frost schimmernden Rüstungen dastanden. »Aber wozu brauchen wir Verstärkung? Niemand kommt hierher! Niemand weiß von diesem Ort!«
»Nun, das wird sich bald ändern.«
Die Falten auf der Stirn des Menschen vertieften sich, doch Ardemir ließ ihm keine Zeit, weitere Fragen zu stellen. Stattdessen wies er zu den Häusern, von deren Dächern Eiszapfenherabhingen. »Es ist lange her, seit ich die Minen zuletzt besucht habe. Das letzte Mal war nach der Eröffnung, und da wart ihr noch nicht geboren. Seither kümmerte sich Fürst Vlidarin darum. Ich möchte, dass ihr mir alles zeigt. Ich muss mich umsehen.« Und herausfinden, wie wir diese Insel am besten gegen die Piraten verteidigen können, fügte er im Geiste hinzu.
Istas verneigte sich übertrieben ehrerbietig, und Ardemir fragte sich, was ein Mensch auf einer Insel wie dieser wohl tun musste, um Vorsteher zu werden. Ardemir hatte einen Elfen erwartet, aber Vlidarin wusste bestimmt, was er tat. Er führte die Minen schon seit ihrer Entstehung vor hundertzwanzig Jahren. Er hatte auch schon im Wiedervereinigungskrieg für Liadan gekämpft – als einziger Fürst der Lichtelfen –, und er verstand, wie wichtig Liadans Mission war. Nicht vielen konnte solch ein Geheimnis anvertraut werden. Vlidarin hoffte aber auf Liadans Unterstützung bezüglich der Förderung seines Sohnes. Zudem brachte Valdoreen stets die besten Schwertkämpfer hervor, und in einer Welt ohne Magie konnte ein Ritter nur mit seinem Schwert glänzen. Beste Voraussetzungen, um Valuar zum Helden zu machen. Mit Magie war ein Kampf immer ungleich, niemand wusste, wie er ausging, aber ohne diese Macht konnten sich alle nur auf ihre Körperkraft verlassen. Und niemand war so abgehärtet wie die Valdoreener, die in einer Welt voller Schnee ums Überleben kämpfen mussten.
»Hier sind die Unterkünfte der Krieger«, erklärte Istas, als er Ardemir zwischen den eisernen Hallen hindurchführte. Es war nicht zu erkennen, ob sie aus Holz, Stein oder Lehm erbaut waren, denn sie waren völlig mit Eis überzogen. Vielleicht bestanden sie sogar ganz aus Eis, denn Bäume hatte Ardemir hier bisher noch keine entdeckt. Vielleicht wurden dieBaumaterialien aber auch von den wirtlicheren Gegenden Valdoreens oder aus anderen Fürstentümern auf die Insel verschifft. »Dort schläft, speist und lebt die Besatzung«, erklärte der Mensch, während er über den festgetretenen Pfad schlich. »Genauso wie die Aufseher. Es gibt auch recht komfortable Kammern für hohen Besuch, falls Fürst Vlidarin uns mit seiner Anwesenheit beehrt, die auch Ihr für die Dauer Eures Aufenthalts benutzen könnt, mein Herr Ardemir.« Er schaute zu Ardemir auf, die Schultern immer noch vorgezogen in einer ständigen Haltung der Demut. »Darf ich fragen, wie lange Ihr zu bleiben gedenkt, mein hoher Herr Ardemir?«
Ardemir verkniff sich ein abfälliges Schnauben. Er hasste solche Kriecher, seien es Elfen oder Menschen. »So lange, wie es nötig ist«, erwiderte er und beschleunigte seinen Schritt. Gab es denn hier keinen Elfen, der ihn herumführen konnte? Jemanden, mit dem er vernünftig reden konnte?
»Das hier sind die Unterkünfte der Arbeiter«, drang Istas’ Stimme in seine Überlegungen, und als Ardemir in die Richtung blickte, die der Mensch ihm wies, blieb er abrupt stehen. Mitten auf einer weiten Eisfläche standen riesige Käfige, die so groß waren wie die Hallen, an denen er vorhin vorbeigegangen war. Decken waren darübergespannt, um ein Mindestmaß an Schutz vor der Witterung zu bieten, aber an den Seiten waren sie offen, sodass der Wind unablässig hindurchpfiff. Zurzeit war zwischen den
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