Elfenmeer: Roman (German Edition)
Gitterstäben kaum eine Gestalt zu erkennen, einzig ein paar am Boden zusammengekauerte Menschen, die sich in ihre Umhänge hüllten. Ein Stöhnen und sogar das Weinen eines Kindes drangen zu ihm.
»Lässt sich denn nicht ein etwas … angenehmerer Platz für die Arbeiter finden?«, fragte Ardemir verstört.
»Wozu?«, entgegnete Istas.
Ardemir riss seinen Blick von den Menschen im Käfig los,unter denen tatsächlich auch Kinder waren, und sah nun auf Istas hinab. Die Unbeschwertheit in der Stimme des Mannes reizte ihn. Vielleicht lag das daran, dass Ardemir Menschen anders betrachtete als die meisten Elfen. Da sein Vetter Eamon in der Menschenwelt lebte und dort Freunde hatte, war Ardemir schon häufiger mit diesem Volk in Berührung gekommen. Für Elfen waren Menschen kaum mehr als Tiere, sie waren Sklaven, zu einfach gestrickt, um Großes zu vollbringen. Ardemir hatte aber schon zu oft mit Menschen gemeinsam gelacht und ihre Freundlichkeit kennengelernt, um diese Meinung zu teilen. Der Anblick der Käfige erfüllte ihn mit Grauen.
»Die Kälte bringt sie nicht um«, sagte der Mensch, noch ehe Ardemir Gelegenheit hatte, seiner Empörung Ausdruck zu verleihen, »sie sind den ganzen Tag in den Minen, nur die Kranken halten sich dort drüben auf, bis sie wieder arbeitsfähig sind. Und wenn sie sterben, schickt uns der hohe Herr Fürst Averon aus Riniel einfach neue aus den Lagern.«
Ardemir verschränkte die Arme vor der Brust. Das unterwürfige Getue dieses Mannes in Verbindung mit der Herablassung seiner eigenen Rasse gegenüber ließ ihn fast die Beherrschung verlieren. Er wollte mit dieser Schlange nicht mehr reden. »Wie kommt es, dass du hier Vorsteher bist?«, fragte er also freiheraus. »Solltest du nicht so wie die anderen Menschen unten in den Minen arbeiten?«
Die Augen in dem wettergegerbten Gesicht des Mannes weiteten sich, das Weiß stach unnatürlich hervor, doch noch ehe er antworten konnte, erklang plötzlich eine Stimme hinter Ardemir.
»Die Vorsteher sind immer Menschen.« Eine Hand legte sich auf seine Schulter, und als Ardemir den Kopf drehte, erkannte er Vlidarin von Valdoreen. Erleichtert seufzte er auf.
»Ihr habt keine Zeit vergeudet, Fürst. Ich hätte Euch nicht so früh erwartet.«
»In einer Situation wie dieser können wir es uns nicht erlauben, Zeit zu vergeuden.« Der Fürst winkte Istas mit einer beiläufigen Geste davon, der sich daraufhin unter ständigen Verbeugungen abwandte.
Ardemir blickte dem Menschen einen Moment lang hinterher, um sicherzugehen, dass er außer Hörweite war, und wandte sich schließlich wieder an Vlidarin. »Was hat all das hier zu bedeuten?« Er wies zu den Käfigen, und erneut zog sich beim Anblick dieser armen Kreaturen alles in seiner Brust zusammen. Bei seinem letzten Aufenthalt auf der Insel waren bequeme Unterkünfte für die menschlichen Arbeiter in Planung gewesen sowie eine Gemeinschaftshalle. Zudem hatte Liadan verfügt, dass jeder Arbeiter einen angemessenen Lohn für seine Dienste erhalten sollte. Auch sollten die Menschen höchstens zwanzig Jahre in den Minen arbeiten und danach wieder frei sein. »Was haben die Käfige zu bedeuten?«
Vlidarin seufzte laut auf und strich sich ein paar lange Strähnen aus dem Gesicht. »Ach … die Käfige.« Er fuhr sich mit der Hand über den Nacken und blickte zu den armen Kreaturen hinüber. »Nun, einst hatten wir Hallen für die Arbeiter, so wie für die anderen auch. Es waren keine Paläste, aber sie hatten es warm und trocken. Doch es gab immer wieder Aufrührer unter ihnen, die die anderen aufstachelten. Wir hatten bereits unzählige Fluchtversuche, Aufstände gegen die Wachen und Aufseher, Streikaufrufe … Auch gab es Schwierigkeiten mit ihrem Lohn. Streit brach unter ihnen aus, sie bestahlen sich gegenseitig, nahmen einander die gehorteten Münzen weg … In den Käfigen haben wir sie im Auge, sie können nichts tun, was den Wachen entgeht. Anders als in den geschlossenenRäumlichkeiten. Es ist keine optimale Lösung, doch bis sie lernen, sich zu fügen und ihre Arbeit ordentlich zu verrichten, sehe ich leider keinen anderen Weg.«
Ardemir ballte die Hände zu Fäusten. »Aber sicherlich gibt es noch andere Möglichkeiten …«
»Befehlshaber.« Der Fürst sah ihn mit seinen Anthrazitaugen eindringlich an. »Ich kümmere mich seit über hundert Jahren um diese Minen. Gäbe es einen anderen Weg, die Menschen im Zaum zu halten, würde ich ihn gehen. Es gefällt mir nicht, andere zu quälen,
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