Elfenmeer: Roman (German Edition)
seine spitzen Zähne und tippte sich an den Hut. Nayla verdrehte die Augen und wollte sich auf den Weg machen, um Avree zu holen, doch dannüberlegte sie es sich anders. Etwas in ihr befahl ihr, bei der Königin zu bleiben. Bei der Frau, die gegen die Magie Elvions ankämpfte und somit auch gegen Situationen wie die, der Nayla vorhin ausgesetzt gewesen war.
Als würde sie etwas Schlimmes begehen, sah sie sich auf dem Schiff nach Beobachtern um und schritt schließlich auf die Königin zu. Neben ihr ging sie in die Hocke und nahm ihr den schmutzigen Lappen aus der Hand, um diesen in der Schale zu ihren Füßen auszuwaschen.
»Diese Menschen sind Euch für Eure Hilfe bestimmt dankbar, Majestät«, sagte sie und tupfte die Stirn einer jungen Frau ab, die vor Hunger schon ganz betäubt zu sein schien. Bis sie etwas Ordentliches zu essen bekämen, würde es noch dauern, denn der Korallenpalast war weit entfernt, und im Moment gab es lediglich Getreidebrei.
Die Königin drehte den Kopf in ihre Richtung und sah sie aus rauchgrauen Augen an. »Ich bin eine Dunkelelfe und besitze keine Heilkräfte. So versuche ich zu tun, was ich tun kann.«
»Aber wenn es keine Magie mehr gibt, wird niemand mehr die Fähigkeit besitzen zu heilen. Wollt Ihr tatsächlich solch eine Welt?«
»Ja«, kam die unumwundene Antwort. Es schien, als hätte die Königin schon häufiger über diese Frage nachgedacht, denn sie sprach ohne Zögern und Zweifel. »Die magischen Heilkräfte zu opfern ist nichts, wenn man bedenkt, wie viel Schaden wir mit einer Welt ohne Magie verhindern können. Es gibt andere Methoden, um Linderung und Heilung herbeizuführen, Methoden, für die keine Magie vonnöten ist. Ein Knochenbruch heilt auch von selbst, doch wir Elfen sind viel zu faul und ungeduldig geworden. Ein Witz, wenn man unsere Lebensdauer bedenkt. Jedes kleinste Zipperlein wird sofortaus der Welt geschafft, und darauf können wir Elfen ganz bestimmt verzichten.«
»Aber es geht nicht nur um Knochenbrüche und Zipperlein, Majestät. Für manche Elfen oder Menschen ist eine magische Heilung die letzte Rettung.«
»Dann ist ihre Zeit wohl gekommen. Es wird trotzdem sehr viel weniger Tote geben als in den letzten magischen Kriegen.«
Nayla senkte den Blick. Damit hatte die Königin recht. Im Grunde hatte sie mit allem recht, und wäre Nayla nicht von den Piraten gerettet worden, sondern auf der anderen Seite aufgewachsen, wäre es ihr wohl nicht schwergefallen, der Königin die Treue zu schwören.
»Magie bringt Schaden«, riss die Königin sie aus ihren Gedanken. Sie reichte den Wasserschlauch an einen Elfen aus der Mannschaft weiter und wandte sich dann Nayla erneut zu. »Ihr wisst, wovon ich spreche, schließlich spürt Ihr das Leid, das die Magie bringt, am eigenen Leib.«
Nayla blickte der Königin in die Augen, und es gelang ihr nicht, etwas darauf zu erwidern.
»Wieso tut Ihr Euch das an?«, fragte sie mit deutlicher Besorgnis in der Stimme. »Ihr seid ein Mensch, Euer Leben ist zeitlich begrenzt. Wieso lasst Ihr Euch freiwillig Schmerzen zufügen?«
»Ich …« Erneut wusste sie nichts zu sagen. Wie sollte sie der Königin ihre Liebe zu Avree erklären, die alles andere überschattete? Die Königin war eine Elfe, sie würde diese Art von Liebe niemals verstehen. Zudem hatte Avree einen verhängnisvollen Schwur geleistet, einzig und allein ihretwegen. Da war es ein geringer Preis, hin und wieder etwas Schmerz auszuhalten, oder etwa nicht?
»Wäre Euer Leben ohne Magie nicht viel angenehmer?«,fuhr die Königin mit ihren verwirrenden Reden fort. »Wie wunderbar könnte das Zusammensein mit Eurem Liebsten sein – ohne Furcht, ohne Qual. Ich habe Euch in die Augen gesehen – vorhin auf dem Schiff. Ich habe gesehen, welche Ängste Ihr ausgestanden habt, habe Euren Schrei gehört. Soll das etwa Liebe sein?«
»Bei allem Respekt, Majestät.« Nayla räusperte sich, um ihrer Stimme mehr Kraft zu verleihen. »Aber ich glaube, Ihr versteht nur wenig von der Liebe.«
Die Königin lachte auf – glockenhell, und doch meinte Nayla, Schmerz daraus zu hören. »Ihr mögt recht haben«, sagte sie und blickte Nayla mit einem gütigen Lächeln an. »Ich mag nichts von der Liebe zu einem Mann verstehen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es Liebe ist, wenn man sich gegenseitig Schmerzen zufügt. Habt Ihr schon einmal mit ihm darüber gesprochen? Habt Ihr ihn gefragt, weshalb es ihm nichts ausmacht, Euch zu verletzen? Wo er Euch doch
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