Elfennacht 01. Die siebte Tochter
denn es gibt noch viele andere, die mit Euch zu tanzen wünschen.« Er richtete sich auf und verschwand mit einem Lächeln in der Menge.
Anita starrte ihm versonnen nach, noch immer das Sternenlicht vor Augen, das Säuseln des Windes in den Ohren.
»Abgefahre n …«, hauchte sie. »Echt abgefahren.«
VII
A nita und Zara saßen auf dem Bett in Anitas Schlafgemach.
Der Ball war vorbei, aber trotz ihrer Müdigkeit waren die beiden Mädchen zu aufgedreht, um schlafen zu können. Sie hatten alle Ereignisse des Balls besprochen und viel gelacht, nur von dem herrlichen Nachtflug über das Elfenreich hatte Anita Zara nichts erzählt. Sie wollte es noch eine Weile für sich behalten.
»Ich habe dich mit Gabriel tanzen sehen«, sagte Zara. »Du schienst Gefallen an ihm zu finden. Wie du ihm in die Augen gesehen hast!« Sie sah Anita verschmitzt an. »Läuten die Hochzeitsglocken am Ende doch noch?«
»Ach, ich glaub nicht, dass das sehr wahrscheinlich ist«, entgegnete Anita ausweichend. »Ich kenne ihn ja kaum.«
»Aber du hast ihn einmal gekannt«, sagte Zara. »Und einst hast du ihn auch geliebt.«
»Na ja, da bin ich mir nicht mehr so sicher«, sagte Anita.
»Ah, arme Tania«, seufzte Zara. »Dass du gleichzeitig dich selbst und deine wahre Liebe verloren hast, das ist wahrlich traurig.«
»Aber ich bin gar nicht traurig«, sagte Anita nachdrücklich. »Ich kann mich an nichts erinnern.«
»Das ist wohl ein Segen«, sagte Zara und unterdrückte ein Gähnen. »Und es ist eine große Freude, dich wieder zu Hause zu habe n – auch wenn dein Bewusstsein vernebelt ist!« Wieder gähnte sie. »Oh weh!«, sagte sie. »Ich muss schlafen.« Sie ließ sich nach hinten aufs Bett fallen.
»Hey!«, protestierte Anita und schüttelte sie. »Aber bitte in deinem eigenen Bett!«
»Nun gut.« Zara kletterte aus dem Bett und ging zur Tür. »Ist dir aufgefallen, wie gut der Graf von Anvis heute Abend ausgesehen hat?«, sinnierte sie, während sie die Tür öffnete. »Ich könnte mir gut vorstellen, wie er mit einem weißen Schimmel angeritten kommt, um eine Lady zu entführen!«
»Ich weiß nicht mal, welcher das war. Und jetzt ab ins Bett!«, sagte Anita und lachte, während sich die Tür schloss.
Als sie endlich allein in ihrem Gemach war, zog sie ihr Nachthemd an und schlüpfte unter die Bettdecke. Sie legte den Kopf aufs Kissen, während die Musik noch immer in ihren Ohren nachklang. Sie sah aus dem Fenster in den sternenklaren Nachthimmel hinaus und dachte daran, wie Gabriel und sie in den Himmel aufgestiegen und Hand in Hand über das schlafende Elfenreich gesegelt waren.
Obwohl das für sie der Höhepunkt des Balls gewesen war, hatte sie danach noch so manchen Tanz getanzt. Vor ihrem geistigen Auge sah sie wirbelnde Kleider in allen Regenbogenfarben vor sich. Sie dachte an ihren ersten Tanz mit dem König, sah sein glückliches Gesicht und wie er sie stolz anlächelte.
Ihr Vater, der König.
Sie grinste. Erstaunlich.
Dann dachte sie an das freundliche Gesicht ihres richtigen Vaters, der sich mit besorgtem Blick über ihr Krankenhausbett gebeugt hatte. Seine Stimme hallte in ihrer Erinnerung wider: »Wie geht’s dir, mein kleines Mädchen?«
Anita setzte sich im Bett au f – einen Moment lang hätte sie fast vergessen, dass alles hier nur ein Traum war.
Das musste unbedingt aufhören.
Sie blies die Kerze aus. Durch das Fenster konnte sie Sterne am dunklen Nachthimmel sehen, die hier größer als zu Hause wirkte n – heller und geheimnisvoller.
Sie legte sich hin und zog sich die Decke bis zum Kinn.
»Okay«, sagte sie zu sich selbst. »Hör mir gut zu: Du wirst jetzt schlafen. Und wenn du morgen Früh aufwachst, wirst du wieder in der wirklichen Welt sein, so wie es sich gehört. Verstehst du mich? Diese ganze Elfensache ist ja ganz nett, aber genug ist genug.«
Sie schloss die Augen und konzentrierte sich darauf, sich ins Gedächtnis zu rufen, wie die Krankenhausstation ausgesehen hatte, erinnerte sich an die Gesichter ihrer Eltern. Sie weigerte sich, Elfenbilder zuzulassen, irgendwie musste sie ja wieder aus dieser Traumwelt herauskommen.
»Wach auf«, sagte eine Frauenstimme. Anita spürte, wie jemand sie sanft an der Schulter rüttelte.
Verschlafen öffnete sie die Augen. Im Zimmer war es taghell.
»Schwester?«, murmelte sie. »Wie spät ist es?«
»Der halbe Vormittag ist schon um, Tania, und dennoch finde ich dich im tiefsten Schlummer. Komm, es ist ein wunderschöner Tag und du liegst noch im
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