Elfenschiffe (Mithgar 03)
werde jetzt ein wenig ruhen, Pysk. Vielleicht gibt es heute Nacht ja ein Nordlicht.«
»Ja, vielleicht«, erwiderte Jinnarin. »Wie wäre es vorher noch mit einer Partie Tokko?«
Alamar funkelte die Pysk an. »Eine Herausforderung, ja? Nun gut, ich hebe Euren hingeworfenen Fehdehandschuh auf. Aber verlasst Euch nicht zu sehr auf Euer Anfängerglück! Und keine Ratten, habt Ihr verstanden? Ratten sind nicht erlaubt!«
In jener Nacht war kein Nordlicht zu sehen.
Und das Spiel endete damit, dass Jinnarin die Spielfiguren zornig vom Brett trat.
Aravan lag im Bett und hatte den Arm um Aylis gelegt. »Heute Abend habe ich deinen Vater und Jinnarin über Kairn und die Magier-Ausbildung reden gehört. Hast du dein Handwerk auch dort gelernt, Chieran?«
Aylis stützte sich auf einen Ellbogen und schaute ihren elfischen Geliebten im Sternenlicht an, das durch das Bullauge fiel. »Ja. In Kairn, der Stadt der Glocken.«
»Ist es schwer, eine Seherin zu werden?«
Aylis zuckte die Achseln. »Nicht für mich. Jede Person hat eine natürliche Begabung. Meine war die, Seherin zu sein. Vielleicht so, wie es deine war, Kapitän eines Schiffs zu sein und die Meere der Welt zu befahren.«
»Ich hatte noch nie zuvor ein Meer gesehen, bis ich nach Mithgar kam.«
»Erzähl mir davon, Liebster.«
Aravans Gedanken kehrten zu einem Tag weit in der Vergangenheit zurück. »Als ich über den Dämmerritt nach Mithgar kam, landete ich in der jungen Wildnis dieser neuen Welt und ließ die majestätische Eleganz und Schönheit des alten Adonars hinter mir. Ich befand mich in einer nebligen Senke und war von den grasbewachsenen Kuppen einiger Hügel umringt. Das Gelände erschien mir nicht unvertraut, denn wie du weißt, sind die Stellen des Übergangs einander sehr ähnlich. Doch ganz unerwartet drang aus der Ferne ein rauschendes Tosen an meine Ohren. Das machte mich neugierig, und ich wandte mein Pferd in die Richtung dieses Geräuschs und ritt nach Süden. Der Weg führte aufwärts und einen langen, sanften Anstieg empor, und das Geräusch wurde lauter. Ich spürte den Wind im Gesicht, und die Luft schmeckte salzig. Ich endete auf einer hohen weißen Kreideklippe, die steil nach unten abfiel. Vor mir erstreckte sich dunkelblaues Wasser, so weit das Auge reichte, bis zum Horizont und weiter. Es war ein Ozean, das Avagonmeer, dessen blaue Wellen unter mir gegen die Klippen brandeten. Dabei wurde Gischt in die Höhe geschleudert, und jedes einzelne Wassertröpfchen funkelte wie ein Diamant in der Morgensonne. Der Anblick ließ mein Herz jubilieren, und Tränen traten mir in die Augen, und in diesem Augenblick glitt in meiner Seele etwas an den richtigen Platz. Und obwohl ich noch nie zuvor auf dieser Welt gewesen war, hatte ich das Gefühl, endlich zu Hause zu sein.«
Aravan verstummte, und nach einem Augenblick beugte Aylis sich über ihn und küsste ihn.
Aravan schaute sie an. »Genauso war es, als ich dich zum ersten Mal gesehen habe, Chieran. Als du aus dem Beiboot gestiegen und an Bord der Eroean gekommen bist, hat mein Herz voller Staunen über dich gesungen. Das tut es jedes Mal, wenn ich dein Gesicht und deine Gestalt sehe, und das tut es jedes Mal, wenn ich in deine goldgesprenkelten grünen Augen schaue. Ich bin berauscht von dir, Aylis, und werde es immer sein.«
Aravan zog Aylis an sich, und ihr Kuss war lang und entfachte neue Leidenschaft. »Nein, warte«, flüsterte Aylis. »Ich muss dir etwas zeigen.«
Sie stieg über ihn hinweg aus dem Bett und ging durch den Raum, wobei das Sternenlicht ihren nackten Körper in einen Elfenbeinschimmer hüllte. Sie durchsuchte die Lade, in der sie einige ihrer Habseligkeiten verstaut hatte, und kam nach einem »Aha« zurück zum Bett, wo sie wieder über Aravan kletterte und sich neben ihn legte.
»Ich war nur ein Mädchen unter vielen, als ich auf die Akademie von Kairn kam. Praktisch sobald sie dazu in der Lage sind, wirken viele Seher und Seherinnen einen Zauber auf einen silbernen Spiegel, um ihre wahre Liebe zu sehen. In der Öffentlichkeit habe ich mich immer über jene lustig gemacht, die das taten, und dadurch meine Überlegenheit über jene demonstriert, die solche kindischen Rituale ausführten. Aber insgeheim habe ich den Zauber für mich ebenfalls auf meinen eigenen silbernen Spiegel gewirkt, kaum dass ich die Fähigkeit dazu erworben hatte.«
»Und was hast du gesehen?«
Aylis hielt ihm eine kleine Scheibe aus poliertem Silber hin. »Schau tief hinein und sag
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