Elfenschiffe (Mithgar 03)
betrachtet nicht mehr zu sein scheinen als gefühllose oder gedankenlose Taten, die aber im Kern böse sind? Ich rede hier nicht von den großen Dingen wie zum Beispiel Folter, sondern vielmehr von kleinen Dingen.«
»Wie die Fuchsjagd zum Vergnügen?«
Alamar lächelte. »Vielleicht.«
»Für mich ist das aber eine große Sache, Alamar.«
»Ja, Jinnarin, ich weiß.«
Mehr Tage verstrichen, und es wurde immer winterlicher. Taue, Masten und Belegnägel auf der Eroean waren bald mit Eis überzogen, und die Mannschaft war bemüht, Laufrollen und bewegliche Teile sowie die Seidensegel eisfrei zu halten, sodass das Schiff ständig auslaufbereit war, denn wer wusste schon, wann sie wieder die Segel setzen und einem Phantom nachjagen würden? Doch das Nordlicht war jetzt jede Nacht zu sehen… aber niemand sah eine Wolke.
»Nichts«, seufzte Alamar nach einer Woche. »Nichts. Überhaupt nichts. Nun ja, wenigstens ankern wir im Moment an einer Stelle, wo ich die Okkupation sehen werde.«
»Okkupation?«, fragte Jinnarin.
»Habe ich das nicht gerade gesagt, Pysk?«
Jinnarin warf den Kopf in den Nacken, sagte aber nichts.
Aravan wandte sich an Jinnarin. »Meister Alamar hat Recht. Hier in diesen Breiten wird der Mond spät im nächsten Monat die Sonne verzehren, zwei Tage vor der Längsten Nacht.«
Alamar nickte bestätigend und seufzte dann. »Ich wollte, ich hätte die Gabe der Elfen, Aravan. Sonne, Mond und Sterne sind meine Leidenschaft, doch ich muss mühsam ihre Bahnen ergründen, während Ihr und Euresgleichen sie einfach kennen.«
»Haben alle Völker eine Gabe?«, fragte Jinnarin. »Ich meine, Magier können das astrale Feuer beherrschen. Elfen kennen den Stand der Gestirne. Meine Rasse kann sich in Schatten hüllen. Welche Gabe haben die Zwerge?«
»Sie können ihren Weg nicht verlieren«, erwiderte Aravan. »Ganz gleich, wo sie sich an Land befinden, sie finden immer den Rückweg.«
»Und auf See?«
»Nein. Auch nicht in der Luft, würde ich meinen. Nur an Land, und das auch nur, wenn sie bei guter Gesundheit sind – zum Beispiel nicht, wenn sie hohes Fieber haben und im Delirium sind… jedenfalls haben die Drimma mir das so erzählt, und ich habe schon sehr oft miterlebt, wenn Drimma diese Gabe einsetzen.«
Alamar räusperte sich. »Ich habe gehört, dass sie den Rückweg sogar mit verbundenen Augen finden.«
»Ich glaube daran, obwohl ich es noch nie gesehen habe«, erwiderte Aravan.
»Sagt mir«, fragte Jinnarin, »welche Gabe hat die Menschheit?«
Alamar sah Aravan an und erwiderte dann: »Fruchtbarkeit.«
Aylis nahm die Augenbinde ab und betrachtete die Karten, die vor ihr lagen, manche mit der Bildseite nach oben, andere mit der Bildseite nach unten. Sie saß an einem Tisch in der Messe. Links von ihr saß Aravan, rechts Jinnarin, gegenüber Alamar. Niemand sagte etwas, während sie das Muster der Karten betrachtete und gelber Lampenschein tanzende Schatten warf, da das vor Anker liegende Elfenschiff in einer sanften Dünung schaukelte.
»Verflixt«, knurrte Aylis und schlug mit der Hand auf die Karten, »das ergibt überhaupt keinen Sinn!«
»Was denn?«, fragte Jinnarin, indem sie sich vorbeugte, um besser sehen zu können. »Was ergibt keinen Sinn?«
»Nichts. Überhaupt nichts«, erwiderte Aylis. Sie drehte eine der verdeckten Karten um und sog scharf die Luft ein. »Kein Wunder«, murmelte sie dann. »Seht Ihr das?« Das Bild der soeben umgedrehten Karte zeigte eine Gestalt in dunkler Gewandung. »Das ist der Magier, und er liegt in der Engstelle und versperrt alles.«
»In der Engstelle?«
»Ja.« Aylis zeigte auf die ausgelegten Karten – vier Karten in einer Reihe ganz oben, darunter drei Karten, dann zwei, dann eine, dann wieder zwei, drei und zum Schluss vier. »Seht Ihr, wir haben eine sich nach unten verjüngende Pyramide, die sich dann wieder verbreitert. Die Engstelle ist der schmalste Teil. Sie ist die kritische Stelle. Und der verborgene Magier, der verkehrt herum liegt, blockiert alles.«
Jinnarin erhob sich und ging zu den Karten. »Verkehrt herum?«
»Aye«, antwortete Aylis. »Bezogen auf den Kartenleger, kann eine Karte sechs Positionen haben: offen, verborgen, aufrecht, verkehrt herum, links gedreht, rechts gedreht. Offen bedeutet mit der Bildseite nach oben, also ein Faktor, der nicht verborgen ist. Verborgen meint das genaue Gegenteil, die Karte liegt mit der Bildseite nach unten, ein verborgener Faktor. Aufrecht bedeutet, dass die Karte in Bezug zu mir
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