Elfenstern
erzählen, was ihr wißt. Alte Frauen bewahren oftmals
das Wissen von
Generationen.«
»Also gut«, meinte Roland ergeben.
»Es war
einmal eine alte Frau, die sollte für die Kinder des
Königs sorgen, während die
königlichen Eltern unterwegs waren, um zu tun, was
Könige im allgemeinen so zu
tun pflegen. Die Kinder waren natürlich verwöhnte
Blagen. Sie banden die alte
Frau auf einem Stuhl fest und machten sich daran, das Schloß
niederzureißen.
Nach einer Weile jedoch wurden sie hungrig. Die
alte Frau versprach, ihnen Plätzchen zu backen, wenn sie ihr
die Fesseln
abnahmen. Die Kinder befreiten die Alte, die auch gleich in die
Küche ging und
die versprochenen Plätzchen backte, denen sie die Form von
kleinen Männern gab.
In Wirklichkeit war die alte Frau eine mächtige Zauberin. Sie
nahm eine dieser
Gestalten aus Teig und hauchte ihr Leben ein. Der Kuchenmann wuchs und
wuchs,
bis er größer war als der höchste Turm des
Schlosses. Die alte Frau setzte den
Riesen als Wächter über die Kinder ein,
während sie selbst ein Nickerchen
machte. Sie nannte den Riesen einen Tytanen …«
»Dieses Wort, Tytane«, unterbrach
ihn
Paithan. »Es stammt weder aus der Elfen- noch aus der
Menschensprache. Ist es ein Zwergenwort?« Er sah
Drugar an.
Der Zwerg schüttelte den Kopf.
»Woher kommt es dann? Vielleicht würde die
ursprüngliche Bedeutung und Herkunft des Wortes uns einen
Anhaltspunkt geben.«
Es war ein Schuß ins Blaue, aber es bestand die
Möglichkeit, daß er der Wahrheit zu nahe kam. Haplo
kannte das Wort und seine
Herkunft. Es existierte sowohl in seiner wie auch in der Sprache der
Sartan. In
der früheren Welt hatte es die mythologischen
Schöpfer dieser Welt bezeichnet.
Im Lauf der Zeit erweiterte sich die Bedeutung des Wortes, bis es zu
einem
Synonym für Riese geworden war. Nur die
Sartan konnten diesen Ungeheuern
den Namen Tytanen gegeben haben – und
das eröffnete ein weites Feld von
Möglichkeiten.
»Es ist nur ein Wort«, sagte Haplo.
»Erzähl
weiter.«
»Anfangs fürchteten sich die Kinder vor dem
Tytanen, aber bald merkten sie, daß er freundlich und sanft
war. Sie fingen an,
ihn zu ärgern. Sie nahmen die kleinen Kuchenmänner,
bissen ihnen die Köpfe ab
und drohten dem Tytanen, ihm dasselbe anzutun. Der Tytan geriet so in
Angst,
daß er weglief und …« Roland verstummte
und runzelte nachdenklich die Stirn.
»Das ist merkwürdig. Daran habe ich bis jetzt gar
nicht gedacht. Der Tytane im
Märchen verirrt sich, geht herum und fragt die Leute
…«
»… ›Wo ist die
Burg?‹« murmelte Paithan.
»›Wo
ist die Zitadelle?‹« fragte Haplo.
Paithan nickte aufgeregt. »›Wo ist die
Zitadelle? Was sollen wir tun?‹«
»Ja, ich habe es auch gehört. Wie lautet
die
Antwort? Wo ist die Zitadelle?«
»Was ist eine
Zitadelle?« fragte Paithan
und gestikulierte heftig. »Niemand weiß genau, was
das Wort überhaupt
bedeutet.«
»Jeder, der die Antwort auf ihre Fragen kennt,
wäre ein wirklicher Retter«, sagte Rega leise. Sie
ballte die Fäuste. »Wenn wir
nur eine Ahnung hätten, was sie von uns wollen!«
»Es wurde gemunkelt, daß die weisesten
Männer
und Frauen in Thillia Tag und Nacht die alten Schriften studierten, auf
der
verzweifelten Suche nach einem Hinweis.«
»Vielleicht hätten sie die alten Frauen
fragen
sollen«, meinte Paithan.
Haplo ließ geistesabwesend die Hände
über die
runenbedeckte Obsidiankugel gleiten. Zitadelle hieß
wörtlich: ›kleine
Stadt‹. Noch ein Wort aus seiner und der Sprache der Sartan.
Eins führte zum anderen.
Tytanen – ein Wort der Sartan. Tytanen – die sich
der Magie der Sartan
bedienten. Tytanen – die nach der Zitadelle der Sartan
fragten. Und an diesem
Punkt stand er vor einer Mauer.
Niemals hätten die Sartan dermaßen
böse und
blutgierige Wesen erschaffen oder zu ihren Dienern gemacht. Die Sartan
hätten
diesen Wesen auf keinen Fall magische Fähigkeiten verliehen,
außer sie waren
sicher, ihre Geschöpfe kontrollieren zu können.
Tytanen, die Amok liefen, die
nicht mehr von einer übergeordneten Macht gelenkt wurden
– war das ein Beweis
dafür, daß die Sartan aus dieser Welt verschwunden
waren?
Haplos Blick wanderte zu dem alten Mann. Zifnabs
Mund stand weit offen, der Hut rutschte ihm langsam über die
Nase. Bei einem
besonders herzhaften Schnarcher inhalierte der Alte zusammen mit dem
Atem auch
die ramponierte Krempe
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