Elfenstern
Haplo mit schweren Schritten näherte,
sandte er ihm wieder und
wieder seine Frage entgegen.
»Zitadelle, richtig. Wo die Zitadelle ist? Tut
mir leid, aber momentan kann ich nicht die Zeit erübrigen, dir
zu antworten.
Gleich werden wir uns unterhalten«, versicherte Haplo und
wich langsam zurück.
Das Runengeflecht war vollendet, und er konnte
nur hoffen, daß es seine Wirkung tat. Er ließ den
Tytanen nicht aus den Augen.
Das Wesen kam weiter auf ihn zu, das sehnsüchtige Flehen um
Antwort schlug
abrupt in gewalttätige Enttäuschung um. Haplo
fühlte, wie sich sein Magen vor
Angst zusammenkrampfte. Der Hund neben ihm winselte angstvoll.
Der Tytane hielt inne und wandte suchend den
Kopf, während ihm der Speichel von der schlaffen Unterlippe
tropfte. Haplo
atmete erleichtert auf. Die roten und blauen Runen hatten sich
miteinander
verbunden und wie riesige Vorhänge über die
Dschungelbäume drapiert. Der Zauber
umfaßte das gesamte Wäldchen und schloß
den Tytanen vollkommen ein. Das
Geschöpf wandte sich hierhin und dorthin. Die Runen zeigten
ihm sein eigenes
Bild, überfluteten sein Gehirn mit Reflektionen seiner selbst.
»Du hast recht. Ich werde dir nichts
antun«,
sagte Haplo beschwichtigend. Er bediente sich seiner eigenen Sprache
– der
Sprache der Patryn … und der Sartan. »Ich werde
dich freigeben, aber erst
sprechen wir über die Zitadelle. Sag mir, was es damit auf
sich hat.«
Der Tytane warf sich in die Richtung von Haplos
Stimme. Der Patryn sprang zur Seite, und der Tytane griff ins Leere.
Haplo, der mit diesem Angriff gerechnet hatte,
wiederholte die Frage geduldig.
»Erzähl mir von der Zitadelle. Haben die
Sartan
…«
Sartan!
Der Wutausbruch des Tytanen traf Haplos Zauber
mit ungezügelter, roher Gewalt. Das Runengerüst
wankte. Das von der Illusion
befreite Geschöpf wandte sich Haplo zu.
Der Patryn verstärkte seine Konzentration, und
das Gefüge stabilisierte sich. Der Tytane vermochte ihn nicht
mehr wahrzunehmen
und tastete blind nach seiner Beute.
Du bist ein Sartan!
»Nein«, entgegnete Haplo. Während
er darum
betete, daß seine Kräfte reichen möchten,
wischte er sich den Schweiß von der
Stirn, der ihm in die Augen rann. »Ich bin kein Sartan. Ich
bin ihr Feind, wie
du auch.«
Du lügst! Du bist ein Sartan! Du uns betrogen.
Zitadelle bauen, dann unsere Augen stehlen! Sehen nicht mehr das helle,
strahlende Licht!
Der Zorn des Tytanen hämmerte auf Haplo ein, der
mit jedem Schlag an Kraft verlor. Sein Zauber würde nicht mehr
lange
standhalten. Er mußte fliehen, während das
Geschöpf noch verwirrt war. Aber es
hatte sich gelohnt. Er hatte etwas erfahren. Sehen nicht mehr
das helle,
strahlende Licht! Er hatte das Gefühl,
daß er allmählich zu verstehen
begann. Hell und strahlend … vor ihm …
über ihm …
»Hund!« Haplo wandte sich zur Flucht und
erstarrte mitten in der Bewegung. Überall, wohin er schaute,
sah er nur sich
selbst.
Der Tytane hatte Haplos eigenen Zauber gegen ihn
gekehrt.
Haplo kämpfte gegen seine Furcht an. Er war
gefangen, ein Entkommen war so gut wie unmöglich. Wenn er den
Zauber auflöste,
war auch der Tytane frei. Ausgelaugt und erschöpft,
besaß er nicht die Kraft,
ein neues Runengewebe zu knüpfen, das stark genug war, das
urgewaltige Geschöpf
aufzuhalten. Der Patryn wandte sich nach links – und
erblickte sich selbst. Er
wandte sich nach rechts – wieder nur sein eigenes Gesicht.
Der Hund sprang
aufgeregt im Kreis herum und bellte verstört.
Haplo konnte spüren, wie der Tytane auf der
Suche nach ihm durch das Unterholz stolperte. Früher oder
später mußte er ihn
finden. Etwas streifte ihn, vielleicht eine riesige Hand …
Haplo warf sich blindlings zur Seite und stieß
gegen einen Baum. Der harte Aufprall war schmerzhaft, und er rang
keuchend nach
Atem. Plötzlich bemerkte er, daß er wieder sehen
konnte. Bäume, Gestrüpp,
Schlingpflanzen! Der Zauber wirkte nicht mehr. Die Erleichterung, die
ihn
durchströmte, wurde rasch von heißer Angst
verdrängt.
Das bedeutete, daß das Runengeflecht sich
auflöste, und wenn es ihm wieder möglich war, seine
Umgebung wahrzunehmen, dann
vermochte es auch sein Gegner.
Der Tytane ragte vor ihm auf. Haplo ließ sich zu
Boden fallen, versuchte kriechend, Unterschlupf zu finden. Hinter sich
hörte er
den Hund bellen,
der tapfer versuchte, seinen Herrn zu
verteidigen. Ein lautes, schmerzerfülltes
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