Elfenstern
wieder. Er wußte jetzt, weshalb das Schiff schaukelte und
knackte wie ein
Ruderboot im Sturm – ein gewaltiger, schuppiger Leib wand
sich spiralengleich
um den Rumpf.
Ein feuriges Auge spähte durch das Fenster auf
den Patryn.
»Ich bin soweit, wenn’s recht ist,
gnädiger
Herr.«
»Drei – Zwei – Eins –
Zero! Auf geht’s!«
kommentierte der alte Zauberer und machte es sich auf dem
Fußboden gemütlich.
Der Hut rutschte ihm über das linke Ohr. »Dieser
alte Kasten braucht einen
neuen Namen! Etwas, das einem Sternenschiff angemessen ist. Apollo?
Gemini?
Enterprise? Alle schon vergeben. Rasender Falke? Ges.
gesch. Alle
Rechte vorbehalten. Nein! Warte, ich hab’s! Drachenstern! Das
ist es!
Drachenstern!«
»Verdammter Mist«, brummte Haplo und legte
die
Hände wieder um den Sigelstein.
Das Schiff hob sich langsam, stetig in den
Himmel. Die Passagiere kamen aus ihren Verstecken, um durch die kleinen
Bullaugen in der Bordwand auf ihre Welt hinunterzuschauen, von der sie
sich
immer weiter entfernten.
Das Drachenschiff schwebte über Equilan hinweg.
Die in den Baumwipfeln erbaute Elfenstadt war im Gewirr der verkohlten
Äste und
Zweige und unter dem Schleier aus Rauch und Flammen nicht zu erkennen.
Bald erreichte das Drachenschiff den
Kithni-Golf, dessen Wasser rot war von Blut. Es flog über
Thillia – verbrannt,
verödet. Hier und dort sah man einen einsamen
Überlebenden verloren am
Straßenrand kauern oder ziellos durch ein totes Land wandern.
Während es
weiterhin ständig an Höhe gewann, glitt das Schiff
über das Reich der Zwerge
hinweg – dunkel, leblos.
Das Schiff stieg in den grünblauen Himmel empor,
ließ die zerstörte Welt hinter sich und nahm Kurs
auf die Sterne.
Drachenstern
Der erste Teil der Reise zu den Sternen war
verhältnismäßig friedlich verlaufen.
Eingeschüchtert und erschreckt von dem
Anblick der immer weiter zurückbleibenden, ihnen vertrauten
Welt drängten sich
Haplos Passagiere – Menschen und Elfen –
trostsuchend zusammen. Ihr häufigstes
Gesprächsthema war natürlich die Katastrophe, die
ihre Welt betroffen hatte.
Eingehüllt in den warmen Mantel gemeinsamen Leids, versuchten
sie sogar den
Zwerg in den Kreis der Nächstenliebe aufzunehmen. Drugar
schenkte ihnen keine Beachtung.
Er hockte stumm und düster in einer Ecke der Steuerkanzel, die
er nur verließ,
wenn ihn ein dringendes Bedürfnis ankam.
Zwischendurch sprachen sie über den Stern, zu
dem sie unterwegs waren, über ihre neue Welt und über
ihr neues Leben. Jetzt,
da sie sich tatsächlich auf dem Weg zu einem Stern befanden,
gab der alte
Zauberer sich äußerst zugeknöpft, wenn er
um Informationen angegangen wurde,
wie Haplo belustigt feststellte.
»Wie sieht es dort aus? Woher kommt das
Licht?«
wollte Roland wissen.
»Es ist ein heiliges Licht«, sagte Lenthan
Quindiniar mit sanftem Tadel, »und sollte nicht durch Neugier
entweiht werden.«
»Tja, Lenthan hat schon recht – in
gewisser
Weise«, meinte Zifnab, der sich in seiner Haut nicht recht
wohl zu fühlen
schien. »Man könnte schon sagen, daß es
ein heiliges Licht ist. Und dann gibt
es noch die Nacht.«
»Nacht? Was ist Nacht?«
Der Magier räusperte sich mehrmals, und als ihm
von keiner Seite Hilfe zuteil wurde, holte er Anlauf zu einer
Erklärung. »Ihr
erinnert euch doch an die Unwetter auf eurer Welt? Wie es an jedem
Zyklus zu
einer bestimmten Zeit regnet? Nacht ist so ähnlich, nur
daß an jedem Zyklus zu
einer bestimmten Zeit das Licht gewissermaßen
ausgeht.«
»Und es wird dunkel!« Rega war entsetzt.
»Ja, aber es ist nicht zum Fürchten,
sondern
eigentlich recht angenehm. Man nutzt die Zeit, um zu schlafen. Bei
Dunkelheit
fällt es leichter, die Augen geschlossen zu halten.«
»Ich kann nicht im Dunkeln schlafen!« Rega
schauderte und warf einen raschen Blick auf den Zwerg, der an seinem
gewohnten
Platz saß und sie alle ignorierte. »Ich habe es
versucht. Dieser Stern ist mir
nicht geheuer. Ich will da nicht hin.«
»Du wirst dich daran gewöhnen.«
Paithan legte
den Arm um sie. »Ich bin ja bei dir.«
Die beiden schmiegten sich aneinander. Haplo
bemerkte den mißbilligenden Ausdruck auf den Gesichtern der
Elfen, die das
liebende Paar beobachteten. Denselben Ausdruck entdeckte er auf den
Gesichtern
der Menschen.
»Nicht in der Öffentlichkeit!«
schnauzte Roland
seine Schwester an und zerrte sie von Paithan weg.
Damit war
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