Elfenstern
hoch. Es handelte sich um eine
dreidimensionale
Darstellung Pryans, die jener ähnelte, die er in Lenthan
Quindiniars Haus
gesehen und die sein Gebieter besessen hatte. Doch als er jetzt das
naturgetreue Modell in der Hand hielt, begriff Haplo endlich die ganze
Wahrheit.
Sein Gebieter hatte sich geirrt. Die Nichtigen
lebten nicht auf der Oberfläche des Planeten, wie es auf der
alten Welt der
Fall gewesen war.
Sie lebten im Innern.
Die Außenhaut der Kugel war glatt –
solider
Kristall, solider Stein. Im Innern war sie hohl. In der Mitte
leuchteten vier
Sonnen. Im Zentrum des von den Sonnen gebildeten Quadrats befand sich
das
Todestor.
Die Bewohner dieser Welt konnten keine anderen
Planeten, keine anderen Sterne sehen, denn über ihnen spannte
sich nicht die
unermeßliche Weite des Alls; wenn sie den Blick zum Himmel
erhoben, schauten
sie zu Boden. Daher waren die anderen Sterne keine Sterne. Es waren
Städte –
Städte als neue Heimat für die Flüchtlinge
aus einer zerstörten Welt.
Unglücklicherweise war diese neue Welt ein Ort,
den die Nichtigen als erschreckend empfunden haben würden.
Vielleicht war sie
für die Sartan nicht weniger erschreckend gewesen. Das
lebenspendende Licht tat
des Guten zuviel. Bäume wurden zu wahren Giganten, ein
monströser Pelz aus
Vegetation überzog die Innenwand der Kugel. Eine solche
Entwicklung hatten die
Sartan vermutlich nie für möglich gehalten. Sie waren
entsetzt über das, was
sie geschaffen hatten. Sie verschlossen die Augen vor der Wahrheit und
sorgten
dafür, daß auch ihre Schützlinge gar nicht
erst die Möglichkeit hatten, sich
mit den neuen Gegebenheiten auseinanderzusetzen. Statt nachzugeben,
statt sich
der Welt anzupassen, die doch ihre Schöpfung war, bauten die
Sartan diese
Zitadellen, Exklaven in Feindesland.
Behutsam plazierte Haplo die Kugel wieder in dem
stützenden Kraftfeld und löste seinen Zauber, damit
die alte Magie erneut
wirksam werden konnte. Pryan hing wieder über dem Ratstisch
seiner
verschwundenen Schöpfer.
Eine amüsante Vorstellung. Der Herrscher des
Nexus würde die Ironie zu schätzen wissen.
Haplo schaute sich um, aber der Raum war
tatsächlich sonst leer. Er sah nach oben. Ein
Spitzgewölbe bildete die Decke
der Halle und verhinderte den Blick auf den Kristallpfeiler, der von
dem
Gebäude aufragte. Während er die Kugel betrachtet
hatte, war ihm ein merkwürdiges
Geräusch aufgefallen. Er legte die flachen Hände auf
den Tisch.
Seine Vermutung war richtig gewesen. Das Holz
vibrierte summend. Haplo fühlte sich an die große
Maschine auf Arianus erinnert
– das Allüberall. Doch in der Stadt hatte er keine
Anzeichen für das
Vorhandensein einer solchen Maschine entdeckt.
»Wenn ich darüber nachdenke«,
sagte er zu dem
Hund, »draußen habe ich das Geräusch auch
nicht gehört. Es muß von hier drinnen
stammen. Vielleicht gibt es jemanden, der uns verrät,
woher.«
Der Patryn hob die Hände über die
Tischplatte
und zeichnete mehrere Runen in die Luft. Der Hund tat einen tiefen
Schnaufer
und legte sich hin. Den Kopf zwischen den Pfoten, hielt er treu, aber
unzufrieden Wache.
Nebelhafte Gestalten mit vagen Umrissen
erwachten um den Tisch zum Leben; aus ferner Vergangenheit
tönten leise Stimmen
in die Gegenwart. Da es nicht eine Zusammenkunft war, die Haplo
belauschte,
sondern aus Gründen des beschleunigten Zeitflusses eine ganze
Reihe davon,
blieben die Informationen, die ihm zuteil wurden,
bruchstückhaft,
unvollständig.
»Diesen ständigen Unfrieden zwischen den
Rassen
können wir fast nicht mehr bewältigen. Er zehrt an
unseren Kräften, die wir
brauchen, um unser Ziel zu erreichen …«
»Wir sind zu Zuchtmeistern verkommen, die gezwungen
sind, ihre Zeit damit zu vergeuden, streitende Kinder zu trennen.
Unsere große
Vision leidet darunter, daß wir ihr nicht die
gebührende Aufmerksamkeit
schenken können …«
»Und es geht nicht nur uns so! Unsere
Brüder und
Schwestern in den anderen Zitadellen sehen sich denselben Problemen
gegenüber.
Manchmal frage ich mich, ob wir recht getan haben, sie hierher zu
bringen …«
Der Kummer, das Gefühl hilfloser Frustration war
spürbar. Haplo erkannte die Spuren in den geisterhaften
Gesichtern, entdeckte die
Anzeichen in den Bewegungen der Hände, die Entwicklungen zu
greifen und zu
lenken suchten, die ihnen entglitten. Der Patryn fühlte sich
an Alfred
erinnert, den
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