Elfenstern
Pfeile
sind für sie wie
Mückenstiche für uns. Schwerter dringen nicht durch
ihre dicke Haut, und selbst
wenn, könnten sie ihnen keine ernsthaften Verletzungen
zufügen.«
Der Ernst von Gregors Worten verfehlte nicht
seine Wirkung auf die Zuhörer. Alle lauschten in aufmerksamem
Schweigen, auch
wenn dieser oder jener immer noch ungläubig den Kopf
schüttelte. Andere Händler
wurden auf die stille Versammlung aufmerksam, kamen heran und trugen
auch ihr
Scherflein bei zu den unerfreulichen Gerüchten, die sich rasch
verbreiteten.
»Das Kasnar-Imperium war groß«,
meinte Gregor.
»Jetzt ist es untergegangen. Von einer mächtigen
Nation ist nichts weiter
übriggeblieben als eine Handvoll Menschen, die in Schiffen
über das Flüsternde
Meer geflohen sind.«
Der Farmer, der merkte, daß sein Umsatz
nachließ, schlug ein neues Faß an.
Alle standen auf, um sich nachschenken zu
lassen, und begannen dann sofort wieder aufgeregt zu reden.
»Tytanen? Die Vasallen von San? Das sind doch
nur Mythen!«
»Lästere nicht, Paithan! Wenn du an die
Mutter 18 glaubst, dann mußt du auch an San und seine Vasallen glauben,
die Herrscher des
Dunkels.«
»Schon gut, Umbar, wir wissen, wie religiös
zu
bist. Wenn du einen Tempel der Mutter betrittst, stürzt er
vermutlich über dir
zusammen. Hör mal, Gregor, du bist ein verständiger
Mann. Du glaubst doch nicht
an Trolle und Kobolde, oder?«
»Nein, aber ich glaube an das, was ich sehe und
höre. Und in den Augen jener Flüchtlinge habe ich
furchtbare Dinge gesehen.«
Paithan betrachtete den Mann eine geraume Weile.
Er kannte Gregor seit etlichen Jahren und hatte ihn stets als
verläßlich,
aufrichtig und furchtlos empfunden. »Also gut. Ich will
glauben, daß diese
Menschen vor irgendetwas geflohen sind. Aber warum
regen wir uns auf?
Was immer es ist, es kann unmöglich das Flüsternde
Meer überqueren.«
»Die Tytanen …«
»Was auch immer …«
»… könnten den Weg durch die
Zwergenreiche Grish
und Klag und Thurn nehmen«, fuhr Gregor pessimistisch fort.
»Tatsächlich haben
wir Gerüchte gehört, daß die Zwerge
für einen Krieg rüsten.«
»Allerdings. Für einen Krieg gegen euch, nicht
gegen baumlange Dämonen. Das ist der Grund, weshalb eure
Könige dieses
Waffenembargo verhängt haben!«
Gregor zuckte die Schultern und grinste dann
über das ganze rotbärtige Gesicht. »Was
immer auch geschieht, Paithan, ihr
Elfen braucht euch keine Sorgen zu machen. Wir Menschen werden sie
aufhalten,
Tytanen, Zwerge, was es sein mag. Unsere Sagen berichten, daß
der Gehörnte Gott
uns immer wieder übermächtige Feinde schickt, um
unseren Mut zu prüfen.
Vielleicht werden diesmal die Verschwundenen Könige
zurückkehren, um uns
beizustehen.«
Er wollte einen Schluck nehmen, zog ein
enttäuschtes Gesicht und kehrte den Krug um. Er war leer.
»Nachschenken!«
Der Farmer drehte am Zapfhahn, doch ohne Erfolg.
Er klopfte an die Fässer. Alle gaben einen traurigen, hohlen
Ton von sich.
Seufzend standen die Händler auf, reckten sich und gingen
davon.
»Paithan, mein Freund«, meinte Gregor,
»es gibt
da eine Taverne am Landungssteg. Es wird um diese Zeit gerammelt voll
sein,
aber ich glaube, ich könnte für uns ein freies
Plätzchen finden.« Der
breitschultrige Mensch ließ die Muskeln spielen und lachte.
»Gern«, stimmte Paithan bereitwillig zu.
Sein
Vorarbeiter war ein tüchtiger Mann. Mit Schwierigkeiten war
nicht zu rechnen.
»Du besorgst uns einen Tisch, und ich zahle die ersten zwei
Runden.«
»Das ist ein Angebot!«
Die Arme um die Schultern gelegt – wobei der
zierliche Elf fast in der freundschaftlichen Umschlingung verschwand
–,
schwankten die beiden vergnügt in Richtung Steg.
»Sag mal, Gregor, du kommst doch viel
rum«,
meinte Paithan. »Hast du je von einem Menschenmagier namens
Zifnab gehört?«
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Kapitel 9
Varsport,
Thillia
Paithan und seine Karawane konnten am folgenden
Zyklus übersetzen. Die Überfahrt dauerte lange, und
der Elf war nicht in der
Verfassung, sie zu genießen, er hatte unter den Nachwirkungen
des Vingins zu
leiden.
Die Elfen sind bekannt dafür, daß sie
keinen
Alkohol vertragen, und Paithan wußte, daß er besser
nicht versucht hätte, mit
Gregor mitzuhalten. Doch er fand, daß er einen Grund zum
Feiern hatte – keine
Calandra, die ihm strafende Blicke zuwarf, weil er sich beim Abendessen
ein
zweites Glas Wein einschenkte.
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