Elfenstern
konnte so den Vormarsch der
Riesen verfolgen. An der Küste des Flüsternden
Meeres, das für sie ein
unüberwindliches Hindernis darstellte, waren sie nach Est
abgebogen und
strebten unbeirrt auf dem Landweg ihrem Ziel entgegen – was
immer es sein
mochte.
Drugar glaubte nicht daran, daß sie vorhatten,
sich mit den Zwergen zu verbünden. Dunkle Gerüchte
erreichten Thurn, von
Massakern an Zwergen in den norinthwärts gelegenen Siedlungen
Grishs und Klags,
aber die Riesen im Auge zu behalten war schwierig, und die Berichte der
Kundschafter, die immer spärlicher eintrafen, ergaben wenig
Sinn.
»Vater«, bestürmte Drugar den
alten König, »du
mußt mir jetzt gestatten, die Armee zu mobilisieren! Diese
Hiobsbotschaften
kann man unmöglich ignorieren!«
»Menschen«, antwortete sein Vater
seufzend. »Der
Rat vertritt die Auffassung, daß es Menschen sind, auf der
Flucht vor den
Riesen, die diese Greueltaten begehen! Man hält an dem Glauben
fest, daß die
Riesen sich mit uns verbünden und wir dann in der Lage sind,
Vergeltung zu
üben.«
»Ich habe persönlich mit den Kundschaftern
gesprochen, Vater«, wandte Drugar mit zunehmender Ungeduld
ein. »Mit denen, die
sich noch in Sicherheit bringen konnten. Täglich kehren
weniger und weniger
zurück. Und die wenigen sind halb verrückt vor
Angst!«
»Ach ja?« meinte sein Vater und musterte
Drugar
mit wissendem Blick. »Und was behaupten sie denn, gesehen zu
haben?«
Drugar zögerte. »Also gut, Vater, gesehen haben
sie eigentlich nichts!«
Der alte Zwerg nickte müde. »Ich habe auch
mit
den Kundschaftern gesprochen, mein Sohn. Ich kenne die phantastischen
Geschichten über den ›wandernden
Dschungel‹. Wie kann ich mit solchem Elfenkrat
vor die Ratsversammlung treten?«
Es lag Drugar auf der Zunge, seinem Vater zu
sagen, was der Rat mit seinem eigenen Krat tun konnte, doch er
wußte, daß ein
solcher Ausbruch nichts ändern und nur seinen Vater
verärgern würde. Den König
traf keine Schuld. Drugar zweifelte nicht daran, daß sein
Vater dem Rat
dasselbe vorgehalten hatte, wie er eben seinem Vater. Der Eine Zwerg,
der sich
aus den Stammesältesten zusammensetzte, stellte sich taub.
Drugar preßte die Lippen zusammen, damit ihm
kein unbedachtes Wort entschlüpfte, verließ seines
Vaters Haus und machte sich
auf den Weg durch das ausgedehnte und verzweigte Netz von
Gängen, die zur
Oberwelt hinaufführten. Blinzelnd trat er ins Sonnenlicht
hinaus.
Da draußen lauerte Gefahr. Und sie kam
unaufhaltsam näher. Er glaubte nicht an die Mär von
der Verbrüderung mit diesen
Unholden und wartete mit verzweifelter Ungeduld auf das Eintreffen der
magischen Elfenwaffen.
Wenn diese beiden Menschen ihn betrogen hatten,
dann – gelobte er bei Leib, Verstand und Seele des Einen
Zwergs – würden sie
dafür bezahlen, und zwar mit ihrem Leben.
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Kapitel 15
Irgendwo anders,
Gunis
»Ich hab’s satt!«
verkündete Rega. Nach zwei
weiteren Zyklen befanden sie sich noch tiefer im Dschungel, noch weiter
entfernt von Sonnenschein, frischer Luft und kühlem Regen.
Wieder einmal endete
der Weg am Rand einer Moosebene; vor ihren Füßen
öffnete sich eine tiefe
Schlucht, deren steile Wände sich in der Dunkelheit verloren.
Sie lagen nebeneinander bäuchlings im Moos,
starrten in die Tiefe und bemühten sich vergeblich, die
schwarzen Schatten mit
den Blicken zu durchdringen. Das dichte Laub der Zweige über
und vor ihnen ließ
kaum noch Helligkeit hindurch- dringen. Dort unten würden sie
ihre Reise in
nahezu völliger Dunkelheit fortsetzen müssen.
»Wie weit ist es noch?« wollte Paithan
wissen.
»Bis zu den Zwergen? Vielleicht noch zwei
Zyklen, würde ich sagen.«
»Wißt Ihr es nicht genau?«
Roland erhob sich schwerfällig. »Da unten
verliert man jedes Zeitgefühl. Keine Stundenblume weit und
breit, überhaupt
keine Blumen.«
Paithan schwieg. Er spähte über den Rand,
als
sei er von der düsteren Atmosphäre fasziniert.
»Ich werde nach den Tyros
sehen.«
Rega sprang auf, warf einen vielsagenden Blick
auf den Elf und gab ihrem Bruder ein Zeichen. Sie entfernten sich leise
und
kehrten zu der kleinen Lichtung zurück, wo sie die Tyros
angebunden hatten.
»Das geht so nicht weiter. Du mußt ihm die
Wahrheit sagen«, meinte Rega, während sie die Riemen
an einem der Körbe
festzog.
»Ich?« fragte Roland.
»Nicht so laut! Also gut – wir.«
»Und welchen Teil der
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