Elfenwinter
einzugehen. »Es gibt keinen Anflug von Gelb, keine geplatzten Adern, die das Weiß mit obszönem Rot beleidigen. Deine Augenwimpern sind dicht. Sie erheben sich in sanftem Schwung. Manche Elfe würde dich um diese Wimpern beneiden. Sie sind makellos, so wie der Ruf des Wächters der Shalyn Falah. Des Schwertmeisters. Des Vertrauten der Königin, der nur seine Pflicht kennt.«
Ihre Stimme war ein wenig zu dunkel für eine Frauenstimme. Doch gerade das ließ sie in Ollowains Ohren umso sinnlicher klingen. Die Stimme stand in starkem Gegensatz zu den schmalen Lippen. Sie wirkten ungeküsst. Was dachte er denn für einen Unsinn! Auch Lyndwyns Augen waren grün. Doch sie waren von einem lichten Grün, durchsetzt mit goldenen Sprenkeln.
Der Schwertmeister versuchte sich ganz auf seine Schritte zu konzentrieren. Er senkte seinen Blick nicht, doch er verschloss sein Herz vor dem, was er sah. Lyndwyn hatte etwas an sich, das ihn tief berührte und seine Gefühle verwirrte. Sie wusste, wie es war, sich einer Idee zu opfern. Die Vollkommenheit anzustreben. Alle anderen zu überflügeln. Welche Schwäche wollte sie wohl hinter ihrem Ehrgeiz verstecken?
Nein, schon wieder waren seine Gedanken ihr viel zu nah! Sie war eine Verräterin! Achte nur auf die Schritte, ermahnte er sich. Er spürte den festen Stein durch die weiche Sohle seiner Stiefel. Glatt, rutschig war er. Und doch war diese Brücke nicht so tückisch wie die wirkliche Shalyn Falah. Es gab kein Sprühwasser, das den Stein benetzte. Keine böigen Winde, die an den Kleidern zerrten.
»Glaubst du, dass Augen das Fenster zur Seele sein können?«, fragte Lyndwyn.
»Fände ich Gold in deiner Seele?«
»Da du mich für eine Lügnerin und Verräterin hältst, wirst du dir diese Frage wohl selbst beantworten müssen, denn welchen Wert hätten meine Worte für dich?«
Ollowain war überrascht. Sie sagte das nicht vorwurfsvoll. Im Gegenteil. Ihre Stimme klang eher traurig. Sei auf der Hut, ermahnte sich der Schwertmeister. Sie treibt nur ihr Spiel mit dir. Sie will dich einfangen! Dein Misstrauen mit sanften Worten einlullen.
Der Boden knirschte unter Ollowains Schritt. Der Stein war nicht mehr poliert. Er hatte eine raue Oberfläche, auf der die Sohle besseren Halt fand. Der Schwertmeister blickte über die Schulter. Sie hatten die Brücke verlassen. Jemand klatschte.
»Seit mehr als hundert Jahren bin ich der Wächter der Man-dan Falah, und noch nie habe ich jemanden auf diese Weise über die Brücke schreiten sehen.«
Ein Elfenkrieger trat hinter einem Rosenbusch hervor. Er trug einen blassgrauen Waffenrock, dessen Säume mit einer dünnen, silbernen Borte abgesetzt waren. Von seinen Schultern wallte ein langer Umhang in dunklem Rot. Er wurde von einer ringförmigen Fibel gehalten, die eine Schlange zeigte, welche sich selbst in den Schwanz biss. Der Schwertgurt und die Lederscheide der Waffe waren vom gleichen Rot wie der Umhang. Ebenso der Pferdeschweif, der den hohen, spitz zulaufenden Helm schmückte, den der Wächter lässig unter seinen Arm geklemmt hatte.
Der Elf hatte langes, fast platinblondes Haar, das ihm in Locken auf die Schultern herabfiel. Seine blasse Haut und die ebenmäßigen Züge gaben seinem Antlitz etwas Puppenhaftes. »Ihr seid der Glanz dieses Mondes«, sprach der Wächter mit weicher, einschmeichelnder Stimme. »Es geschieht nur sehr selten, dass jemand durch den Albenstern in die Himmelshalle tritt. Hättet ihr die Freundlichkeit, euch vorzustellen?«
»Ich bin Ollowain, Schwertmeister der Königin Emerelle, und dies ist Lyndwyn, Magierin an Emerelles Hof.« Der Wächter schürzte die Lippen. »Eure Antwort ist so spröde, wie euer Erscheinungsbild abenteuerlich ist. So sagt mir nun, was euer Begehr ist.«
Obwohl der Krieger mit seinen Worten die größtmögliche Distanz hielt, bemerkte Ollowain in seinem Blick eine kaum verhohlene Neugier. Er war sich sicher, dass der Krieger seinen Namen schon gehört hatte. Wer an dieser makaberen Kopie der Shalyn Falah wachte, wusste mit Sicherheit, wer über viele Jahrzehnte das Kommando an jener Brücke geführt hatte, die das Vorbild für die Mandan Falah war. »Wir wünschen Landoran zu sprechen, den Fürsten der Snaiwamark und der Hochebene von Carandamon. Wir reisen im Dienst unserer Herrin, der Königin Emerelle. Und unser Begehr duldet keinen Aufschub.«
»Gestatte mir, euch darauf hinzuweisen, dass es an mir liegt, über die Dringlichkeit des Begehrens nicht geladener Gäste zu
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