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Elfenwinter

Elfenwinter

Titel: Elfenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Stoffen der Menschen auf ihrer Haut zu dulden, hatte sie rundweg abgelehnt. Herausfordernd blickte sie Ollowain an. Erwartete sie eine Entschuldigung dafür, dass er sie wie eine Verräterin behandelt hatte?
    »Findest du den Weg nach Phylangan?«, fragte er kühl.
    »Findet deine Zunge den Weg zum Eingeständnis meiner Unschuld?«, erwiderte sie spitz.
    »Du glaubst, ich traue dir, weil du gezwungen warst, der Königin zu helfen?«
    »Weißt du, was es heißt zu heilen, Ollowain? Es heißt, die Schmerzen der Verwundeten mitzuerleben. Es war nicht der Ziegelsplitter, der mir auf der Flucht das Bewusstsein raubte. Es war der Schmerz der Königin. Sie hatte dreiundfünfzig Brandverletzungen, sieben gebrochene Knochen, eine durchbohrte Lunge und eine klaffende Wunde in der Brust. Allein die Brustverletzung hätte ausgereicht, sie umzubringen, wäre ich nicht gewesen. Dein Leben habe ich auch gerettet. Was muss ich noch tun, um dich davon zu überzeugen, dass ich nicht das Zeichen zur Beschießung von Vahan Calyd gegeben habe?«
    Ollowain sah sie abschätzend an. Sie fror nicht. Lyndwyn musste einen Zauber um sich gelegt habe. Einen dieser verfluchten Zauber, die er niemals erlernt hatte. Und sie musste sich nicht einmal darauf konzentrieren. Es geschah einfach so nebenbei.
    »Du müsstest deine Haut abstreifen, damit ich dir vertraue. Du gehörst zur Sippe Shahondins. Er liegt in Fehde mit der Königin. Es ist die Haut, in die du geboren wurdest… Ich werde dir niemals trauen. Und nun bring uns nach Phylangan.«
    »Und wenn ich einfach gehe? Ich könnte überall hingehen.«
    Der Schwertmeister legte die Hand auf seinen Waffengurt.
    »Glaubst du, du bist schneller durch das Tor, als mein Messer fliegt, Verräterin?«
    »Ich bin eine Magierin. Es wäre mir ein Leichtes, mich vor deiner Klinge zu schützen.« Sie sah ihn herausfordernd an.
    »Wollen wir es ausprobieren?«
    »Wenn ich sterbe, sitzt du hier fest.« Sie deutete nach Süden. Der Kentaur war nur noch ein kleiner schwarzer Punkt zwischen den verschneiten Hügeln. »Orimedes kann dich nicht mehr sehen. Die Kälte wird dich umbringen, wenn du hier zurückbleibst.«
    »Glaubst du, das würde mich von irgendetwas abhalten?« Lyndwyn senkte den Blick. »Und die Königin? Wer holt Eme-relle aus dem Land der Menschen, wenn du stirbst?«
    »Orimedes weiß, wo Emerelle ist. Er wird sie retten, wenn ich es nicht mehr kann.«
    »Deshalb also hat die Königin dich ausgewählt.«
    »Wovon redest du?«
    »Von dir, Ollowain«, fuhr ihn die Magierin aufgebracht an. »Es gibt dich gar nicht. Du kennst nur das Ziel, und du opferst alles, um dorthin zu gelangen. Das könnte ich verstehen, wenn du es für dich tun würdest. Aber du bist nur eine leere Hülle. Es gibt eine Sorte Wespen, die legen ihre Eier in andere Insekten. Die Brut zerfrisst diese Wirte langsam von innen heraus. So bist du, Ollowain. Eine leere Hülle, in die Emerelle ihre Eier abgelegt hat. Dich gibt es nicht mehr. Du lebst nur zu ihrem Nutzen.«
    »Bist du fertig?«
    Sie sah ihn nur wütend an. Oder war da noch etwas anderes in ihrem Blick?
    »Bring mich nach Phylangan!«
    Sie verbeugte sich wie eine Dienerin. »Wie du befiehlst, mein Gebieter.« Lyndwyn kniete sich neben den abgestorbenen Baum. Ihre linke Hand tastete über den Schnee. Die Rechte legte sie auf ihr Herz. Die Magierin schloss die Augen.
    Ollowain trat dicht an sie heran. Sie war hübsch. Davon durfte er sich nicht blenden lassen! Vor allem war sie die Enkelin Shahondins. Sie war eine Verräterin.
    Ein Tor aus warmem, rotem Licht erhob sich. Es hatte die Farbe des Abendrots nach einem klaren Sommertag. »Gehen wir!« Er packte Lyndwyn grob am Handgelenk und trat in das Nichts. Fünf Schritte nur auf dem goldenen Pfad, und sie standen vor einem Tor, das in allen Farben des Regenbogens erstrahlte. »Das Ziel«, sagte die Magierin.
    Ollowain hielt sie noch immer am Handgelenk. Er war ihr ausgeliefert. Von hier aus war es ihm unmöglich zu sagen, ob sie ihn wirklich nach Phylangan gebracht hatte. Ebenso gut mochte das Tor in den Fürstenpalast von Arkadien führen. Mitten in Shahondins Schlangengrube. Es gab nur einen Weg, das herauszufinden. Entschlossen trat er durch das Licht. Ein Abgrund lag vor seinen Füßen. Er stand auf einer Brücke aus milchweißem Stein. Es gab kein Geländer. Der Boden war poliert. Jedes Wasser musste abperlen. Die Shalyn Falah! Das konnte nicht sein! Es gab keinen Albenstern auf der Brücke! Und die Steilklippen dort

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