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Elfenwinter

Elfenwinter

Titel: Elfenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Zauberrunen tätowiert, die ihr erlaubten, Gedanken zu lesen, solange sie die Runen vor allen Blicken verbergen konnte. Orgrim wusste mit Sicherheit, dass er nicht versuchen würde, dem Geheimnis der Schamanin auf den Grund zu gehen. Sie hatte etwas an sich, das ihn frieren ließ, wenn er in ihre kalten, grauen Augen blickte. Es bereitete Birga Freude, andere zu quälen. Und sie hatte eine ganz besondere Art, jeden zum Sprechen zu bringen… Auch die Hure des Königs hatte zum Schluss alles erzählt.
    »Dort!«, schrie ein Ausguck und deutete nach Westen. »Ich sehe Berge!«
    Der Rudelfiihrer wandte sich abrupt um. Die Nebelschleier zerrissen. Für einen Augenblick waren sie wie von Zauberhand hinweggefegt. Orgrim sah einen weißblauen Gletscher, der auf breiter Front in die Walbucht drängte. Das Eis war von tiefen Riefen durchzogen. Dunkle, waagerecht verlaufende Bänder gliederten die steil aufragende Eiswand. Sie mochte achtzig oder neunzig Schritt in die Höhe reichen und verlor sich auf beiden Seiten im Nebel.
    Noch während Orgrim zusah, löste sich ein turmgroßes Eisstück aus dem Gletscher und stürzte mit Getöse in die See. Die Geisterwind hob und senkte sich. Einige Mann stürzten nieder und rollten über die Planken. Das Schiff schlingerte gefährlich, Brecher schlugen auf das Deck. Orgrim wurde klar, wie leichtfertig es gewesen war, so dicht unter der Küste zu segeln. Ein kalbender Gletscher könnte ihr Schiff zum Kentern bringen. Er gab dem Steuermann ein Zeichen, mehr Abstand zu der Eisfront zu halten.
    »Das ist die Drachenzunge«, murmelte Mandrag halblaut. Dann deutete er in den Nebel. »Dort vorne muss der Knochenfelsen liegen. An seinem Fuß gab es früher ein Dorf. Die Hütten waren aus Walkiefern gebaut. Von dort aus bin ich mit meinem Vater im Winter aufs Eis hinausgegangen, um Eisbären zu jagen. Man hat sie in der Nähe der Atemlöcher gefunden, dort, wo die Robben zum Luftholen auftauchen. Das Eis war rot von Blut, wo ein Bär erfolgreich gejagt hatte. Und die Robben hatten keine Wahl, als dort hervorzukommen. Selbst wenn sie wussten, dass ein Räuber auf sie wartete. Sie wären sonst unter dem Eis erstickt.« Dem Alten standen Tränen in den Augen. »Frisches Bärenfleisch schmeckt köstlich.« Ein großer, grauer Berg erschien im Dunst. Er ragte weit in die Bucht hinaus. Auf seiner Leeseite lag ein guter Ankerplatz. Die Geisterwind wäre dort vor den Winterstürmen geschützt.
    »Sollen wir hier unser Lager errichten?«, fragte der Rudelfiih-rer.
    Mandrag kaute eine Weile nachdenklich auf seiner Lippe. Endlich schüttelte er den Kopf. »Nein. Wir sollten noch ein ganzes Stück nach Norden segeln. Dort gibt es breite Kiesstrände. Wir müssen die Geisterwind für den Winter auf den Strand ziehen. Sie kann nicht im Wasser bleiben. Das Eis würde den Schiffsrumpf zerdrücken. Mein Vater hat mir einmal von einem Elfenschiff erzählt, dem es so ergangen war. Sie stellen im Winter ihre Schiffe auf wuchtige Kufen. Damit können sie schnell wie der Wind auf dem Eis dahinjagen.« Orgrim überlegte, ob es Sinn machte, die Geisterwind auf Kufen zu stellen. Vielleicht, wenn man das Schiff hinauf zu den Hochplateaus brachte. Aber man würde hunderte Trolle brauchen, um die Galeasse über das Küstengebirge zu transportieren. Vielleicht sollte er mit Boltan einmal darüber reden. Der Geschützmeister war ein steter Quell ungewöhnlicher Ideen. Er hatte auch die Lastschlitten ersonnen, die fest verzurrt im Laderaum der Galeasse auf ihren ersten Einsatz warteten. Mit ihrer Hilfe würden sie den Elfen eine tödliche Überraschung bereiten.
    »Bring das Schiff noch etwa fünfzig Meilen die Küste hinauf«, riet Mandrag. »Wir sollten unser Lager nahe dem Eingang zum Swelm-Tal errichten. Von dort ist es nur ein Tagesmarsch zur Wolfsgrube. Früher war das nur eine kleine Bergfestung. Ich glaube nicht, dass dort sehr viele Elfen leben. Mit etwas Glück können wir sie überrumpeln.«
    Orgrim ließ seinen Blick über die Küstenlinie wandern, die sich immer deutlicher im Nebel abzeichnete. Es war eine wunderbar wilde Felslandschaft. Die ferne Heimat, die seit Generationen nur noch in Erzählungen weitergelebt hatte. Eine frische Brise kam von See und vertrieb die letzten Nebelbänke. Der Rudelführer strich sich über seine nackten Oberarme. Er liebte es, den Biss des Windes auf seiner Haut zu spüren.
    Jetzt war die Farbe der Felsen deutlich im hellen Morgenlicht zu erkennen. Sie waren vom gleichen Grau wie

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