Elfenwinter
noch drei Stiere auf den Beinen. Pfeile steckten ihnen im Rücken. Sie scheuten vor dem Kriegsgebrüll von Lambis Männern zurück.
Sieben Stiere lagen von Piken durchbohrt im Kies. Als die Männer erkannten, gegen was sie kämpften, drängten alle vor. Die Formation zerbrach, und die letzten Stiere wurden erbarmungslos niedergehauen. Alfadas war zufrieden. Sein Heer hatte sich besser geschlagen, als er erwartet hatte. Keiner der Stiere war bis zum Wasser des Fjords durchgebrochen, alle Männer waren auf ihren Posten geblieben. Als Nächstes würden sie jedoch lernen müssen, dass sie ihre Schlachtreihe nicht so schnell zersplittern durften, wenn der Sieg nahe schien.
Vom Waldrand winkte Silwyna. Alfadas setzte sein Horn an die Lippen. Noch einmal ließ er drei kurze, bellende Signale erklingen. Das Geschrei der Männer verstummte.
»Heute wollen wir es wie unsere künftigen Feinde halten und die besiegten Gegner fressen«, rief er seinen Kriegern zu. »Ihr habt gut gekämpft! Nun vergnügt euch. Morgen, bei Sonnenaufgang, werden wir nach Firnstayn marschieren.«
HEIMAT
Orgrim spähte in den Dunst. Er hörte das Rumoren der Gletscher. Große Eisbrocken trieben am Rumpf vorbei. Sie waren tief in die Walbucht vorgestoßen, doch seine Karten waren ungenau. Er konnte nicht bestimmen, wo sie sich befanden.
Nicht mehr lange, und die Morgensonne würde die Nebelschleier zerreißen. Sie waren der Küste sehr nahe. Die Geisterwind machte nur langsame Fahrt. Die halbe Nacht hindurch hatte er dem Lied der Gletscher gelauscht. Dem dumpfen Getöse, mit dem sich Eisbrocken lösten und ins Wasser stürzten. Keiner an Bord hatte in dieser Nacht ein Auge zugetan. Alle seine Krieger und Seeleute hatten irgendeinen Grund gefunden, sich an Deck aufzuhalten. Und dieses eine Mal hatte er es ihnen durchgehen lassen. Ging es ihm doch selbst nicht anders als ihnen. Ganz nahe, jenseits des Nebels, lag das Land, aus dem sein Volk seit mehr als siebenhundert Jahren vertrieben war. Man-drag war der Einzige an Bord, der ihre Heimat schon einmal gesehen hatte. Selbst Birga, die Schamanin, war in der Welt der Menschen geboren worden. Und nun waren sie die Ersten, die heimkehrten! Branbart hatte ihn mit dieser Aufgabe bestrafen wollen, doch alle an Bord der Geisterwind sahen sich als Auserwählte. Sie würden die Ersten sein, die von den Normirga aßen! Orgrim war sich sicher, dass er den Elfen einige empfindliche Schlappen beibringen konnte, wenn sich Branbart nur nicht zu lange mit der Eroberung Reilimees aufhielt.
Laute Rufe schreckten den Rudelführer aus seinen Tagträumen. Neben dem Rumpf der Geisterwind zerteilten große schwarze Finnen das graue Wasser. Mörderwale! Es waren Jäger, so wie sie. Räuber, die selbst einen Troll mit einem einzigen Biss zu töten vermochten. Mit ihrer schwarzweißen Zeichnung waren sie schön anzuschauen. Sie gaben der Galeasse ein Ehrengeleit. Das war ein gutes Omen! Er blickte hinüber zu Birga, die sich wie stets etwas abseits hielt. Die Schamanin stützte sich schwer auf ihren Knochenstab. Sie schien auf seinen Blick gewartet zu haben und nickte, als wüsste sie schon, was er fragen wollte.
»Ein gutes Zeichen! Die Geister unserer Ahnen erwarten uns.« Birga hatte eine rauchige, angenehme Stimme. Wie Skanga ging sie leicht gebeugt. Orgrim wusste nicht, wie alt die Schamanin war, doch musste sie viel jünger als ihre Ziehmeisterin sein. Im ganzen Volk der Trolle gab es nur eine Hand voll, die so alt wie Mandrag waren. Es geschah nur selten, dass jemand mehr als hundert Winter überlebte. Und niemand war wie Skanga. Von ihr flüsterte man, sie sei alt wie die Zeit und eines der ersten Geschöpfe der Alben.
Birga trug ein Gewand aus einander überlappenden Leder-und Fellstreifen. Sie hatte hunderte davon zu einem Kleid vernäht. Jeder Streifen stammte von einem anderen Tier. Manche waren auch aus Troll- oder Menschenhaut. Die Schamanin hatte eine Kapuze über den Kopf gezogen. Ihre Hände waren unter schmutzigen Bandagen verborgen. Und ihr Antlitz versteckte sich hinter der Gesichtshaut eines der früheren Lieblingsweiber des Königs. Birga hatte sie der Hure abgezogen, weil sie versucht hatte, Branbart einen Bastard unterzuschieben.
Die Schamanin, die sich ganz in Häute kleidete, zeigte nicht das kleinste Stück ihrer eigenen Haut. Unzählige Gerüchte machten über sie die Runde. Es hieß, sie habe ein dichtes Fell wie ein Hund, Schuppen wie ein Fisch, oder sie sei von Kopf bis Fuß mit
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