Elfenwinter
erschienen auf dem breiten Treppenabsatz. »Dies ist der Fürst vom Windland«, erklärte Ollowain knapp. »Ich berufe ihn als meinen Zeugen, dass ihr mir in einer Festung, die sich auf eine Belagerung vorbereitet, den Befehl verweigert.«
Die Schritte auf der Treppe waren jetzt deutlicher zu hören.
»Schwertmeister!« Die Elfe ballte die Rechte zur Faust und streckte die Finger wieder. Dann legte sie die Hand auf den Schwertgriff. »Du kannst uns nicht dafür tadeln, dass wir unseren Befehlen gehorchen. Wir unterstehen allein deinem Vater.«
Ollowain wandte sich an den Kentaurenfürsten. »Wer sich den Befehlen des Militärkommandanten von Phylangan nicht fügt, ist für mich ein Meuterer. Würdest du die drei freundlicherweise über die Beschlüsse des Kriegsrates aufklären? Offenbar haben sie Schwierigkeiten, mich zu verstehen!«
Sein Kentaurenfreund musterte die drei Elfen voller Abscheu. »Ich finde, du hast schon viel zu viele Worte gemacht. Du solltest mit ihnen verfahren wie mit den Meuterern im Waldmeer. Einfach kurzen Prozess machen. Ich werde das im Kriegsrat decken, falls dort über solche Kleinigkeiten überhaupt gesprochen werden sollte.« Eine Truppe von zehn Kobolden mit schweren Windenarmbrüsten erreichte das Ende der Treppe. Sie nahmen in Zweierreihe auf den unteren Stufen Aufstellung. Die Stützstöcke der Armbrüste scharrten auf dem grauen Stein. Quietschend betätigten die Kobolde die Stahlwinden und spannten ihre Waffen.
Die Elfe, die bisher das Wort geführt hatte, leckte sich nervös die Lippen. »Du kannst doch nicht…«
»O doch, er kann«, unterbrach sie Orimedes. »Und er tut das nicht zum ersten Mal.«
Die Kobolde legten Bolzen auf ihre Armbrüste. Einige sahen zweifelnd zu Ollowain. Lange würde dieses Spiel nicht mehr gut gehen.
»Was liegt am Ende der Treppe?«, fragte der Schwertmeister eisig.
Die Wachen sahen einander beklommen an. Schließlich antwortete einer der Männer. »Die Hallen des Feuers. Wir dürfen niemanden dort hinablassen. So hat es Landoran befohlen.« Es war drückend heiß auf der Treppe. Sie führte durch massiven Fels tief hinab zum Herzen des Berges. Ollowain spürte, wie sich ein einzelner Schweißtropfen auf seiner Stirn bildete. Er wischte ihn mit dem Handrücken fort. »Ich biete euch Folgendes an. Ihr lasst mich passieren, und ich überzeuge mich mit eigenen Augen davon, dass die Hallen des Feuers so bedeutend sind, dass wir um ihretwillen auf erfahrene Krieger verzichten, die für die Verteidigung der äußeren Festungsanlagen benötigt werden. Bis ich zurückkehre, steht ihr nur unter Arrest. Mein Gefolge wird euch bewachen.« Er sah kurz in Richtung der Kobolde. »Die Bolzen zurück in die Köcher!«, befahl er harsch.
Augenscheinlich erleichtert, kamen die Armbrustschützen dem Befehl nach. Auch die Wachen atmeten auf. »Du hättest nicht auf uns schießen lassen, nicht wahr?«, fragte die Elfe.
»Warum nicht?« Ollowain hob eine Braue - eine Geste, die er einst wochenlang eingeübt hatte, um alle Stimmungen zwischen herablassender Verwunderung und kaum beherrschtem Ärger ausdrücken zu können. »Glaubst du, das Volk, in dem ich nichts gelte, steht mir so nahe, dass ich sein Blut nicht vergießen würde, wenn es die Disziplin in dieser Festung erfordert?«
Die Elfe sah ihn unverwandt an. Sie wartete wohl auf ein Lächeln, das seine Worte entschärfte. Mit jedem Herzschlag, der verstrich, wirkte sie angespannter.
»Gebt den Weg frei!«, befahl Ollowain.
Die beiden Krieger gehorchten.
»Wie heißt der Älteste deiner Sippe?«, fuhr der Schwertmeister die Kriegerin an.
»Senwyn.«
»Senwyn aus der Sippe der Farangel?«
»Ja, er ist… «
»Ich weiß, wer er ist, Mädchen. Er hat im letzten Trollkrieg unter meinem Befehl auf der Shalyn Falah gekämpft. Er ist ein ausgezeichneter Krieger. Ihm musste ich nie erklären, dass im Krieg der Gehorsam der Vater des Sieges ist.«
Die Elfe senkte beschämt die Augen und ließ ihn passieren.
Ollowains Stimmung schwankte zwischen Wut und Enttäuschung, als er tiefer die Treppe hinabstieg. Es war nicht das erste Mal, dass er in einem schier aussichtlosen Kampf den Befehl führte. Aber auch die letzte Hoffnung auf einen Sieg schwand, wenn hinter seinem Rücken Intrigen gesponnen wurden und er nicht darauf zählen durfte, dass ihm jeder Verteidiger bedingungslos vertraute. Doch was hätte er von seinem Vater anderes erwarten sollen! Misstrauen und Enttäuschungen, das war neben ihrem Blut das
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