Elfenwinter
Einzige, was sie miteinander verband.
Ollowain hatte unter den Kobolden von Phylangan einiges über die Festung in Erfahrung gebracht. Etliche scheinbar harmlose Fragen bildeten die Steine eines Mosaiks, das sich zu einem erschreckenden Bild fügte. Fast zwei Drittel der kampffähigen Bewohner der Festungsanlage waren verschwunden. Sie schienen den Berg nicht verlassen zu haben. Auch viele Kobolde waren zu einem geheimnisvollen Dienst in der Tiefe abkommandiert. Und niemand war zurückgekehrt, um zu berichten.
Je weiter der Schwertmeister die Treppe hinabstieg, desto heißer wurde es. Der Geruch warmer Steine lag bedrückend in der Luft. Hier unten herrschte eine trockene Hitze, ganz anders als oben in der weiten Himmelshalle, wo es unerträglich schwül geworden war.
Ollowain traf auf keine weiteren Wachen. Kein Gang mündete auf die Wendeltreppe. In regelmäßigen Abständen fanden sich halbrunde Absätze, wo steinerne Sitzbänke zur Rast einluden. Hier waren die Wände mit schönen Fresken geschmückt, die Berglandschaften und weite Wolkenfelder zeigten. Manche der Bilder waren derart vollkommen, dass es dem flüchtigen Betrachter so erscheinen mochte, als blicke er durch eine Öffnung im Fels auf ein Tal. Sie ließen vergessen, dass man sich tief unter einem Berg befand.
Große Bannsteine in den Wänden tauchten die Treppe in ein weiches, blauweißes Licht, das an Sonnenlicht an einem diesigen Morgen erinnerte. Manchmal konnte man in den Wänden Wasser rauschen hören. Ollowain erinnerte sich an die Erzählungen Gondorans, des Holden, der sie durch die Zisternen von Vahan Calyd geführt hatte. Dort hatten die Normirga einst eine magische Pumpe gleich einem steinernen Herzen erschaffen, die das Wasser unter der Stadt in ständiger Bewegung hielt. Hier schien es, verborgen im Felsgestein, ein ähnliches Wunderwerk zu geben.
Endlich endete die Treppe in einer weiten Halle. Rote Säulen, deren unregelmäßige Oberfläche an Baumrinde erinnerte, mündeten in Kapitelle, aus denen sich geschwungene Stützstreben wie Äste verzweigten, um schließlich in dichtem goldenem Blattwerk zu enden. Die Halle war ein Wald aus Stein und Gold. Vom Treppenabsatz konnte der Schwertmeister keine Wände sehen, die diesen künstlichen Wald eingrenzten. Irgendwo voraus erklang das Echo von schlurfenden Schritten. Ollo-wain folgte dem Geräusch, das alle paar Augenblicke aus einer anderen Richtung zu kommen schien.
Unstetes, rötliches Licht flackerte zwischen den Säulen, heißer Nebel trieb durch den steinernen Wald. Der Schwertmeister erreichte einen marmornen Brunnen. Fontänen kochenden Wassers sprühten aus stilisierten, goldenen Blüten. Ollowains Kleidung war durchgeschwitzt und klebte ihm auf der Haut.
Eiligen Schrittes schlug er einen Bogen um den Brunnen. Jetzt sah er in der Ferne eine Gruppe weiß gewandeter Elfen. Erschöpft, die Häupter gesenkt, zogen sie wie Geister durch den steinernen Wald. Keiner von ihnen bemerkte Ollowain.
Der Schwertmeister trat hinter eine der Säulen und verbarg sich, bis die Gestalten außer Sicht waren. Dann machte er sich auf in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Bald fand er sich inmitten heißer Wasserschwaden. Ringsherum zischten Brunnen. Der Dampf brannte auf seinem Gesicht. Immer unerträglicher wurde die Hitze. Endlich fand er eine Wand und folgte ihr bis zu einem weiten Torbogen, der mit goldenen Blumenornamenten eingefasst war.
Durch das Tor gelangte der Schwertmeister auf eine Terrasse, von der aus man in eine wohl zweihundert Schritt weite Höhle blickte. Wände und Decke waren hier aus schwarzem Basalt, der ganz in seinem natürlichen Zustand belassen worden war. Nur den Boden der Höhle hatte man geglättet. Hier waren Platten aus rotem Stein in den Basalt eingelassen, die sich zu wirbelnden Flammenmustern fügten. Sie tanzten um eine große, goldene Scheibe, welche die Mitte des Höhlenbodens einnahm. Dort kauerte eine weiß gewandete Gestalt mit rabenschwarzem Haar. Sie hielt beide Hände fest auf die goldene Scheibe gepresst und hatte den Kopf gesenkt. Obwohl Ollowain das Gesicht nicht erkennen konnte, sagte ihm sein Herz, dass er Lynd-wyn gefunden hatte. Um die Zauberin herum knieten weit über hundert andere Elfen. Sie alle trugen Weiß, so wie Lyndwyn. Sie hatten sich auf den roten Bodenplatten niedergelassen, dort wo sich Flammenzungen überschnitten. Die Hände auf den Stein gepresst und den Kopf gesenkt, schienen sie in tiefer Meditation entrückt. Ollowain
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