Elfenwinter
hin und her. Plötzlich gab es einen Ruck. Das Boot neigte sich und schlug krachend auf Stein, so als wäre es in stürmischer Brandung auf eine verborgene Klippe aufgelaufen. Ollowain wurde nach vorn geschleudert und prallte gegen den Mast. Sein Schildarm bekam die ganze Wucht des Schlages ab. Sengender Schmerz schoss durch seine Schulter, Tränen traten ihm in die Augen. Blinzelnd rappelte er sich auf, um zu sehen, was geschehen war.
Zwei Kentauren lagen mit grotesk verdrehten Gliedern regungslos am Boden. Ein Balken hatte die beiden niedergestreckt. Noch während Ollowain die Toten anstarrte, schlug dicht neben ihnen ein weiterer Balken auf. Brennende Dachlatten polterten auf das Pflaster. Einer der Kentauren scheute und stieg auf die Hinterläufe. Das Boot ruckte. Ollowain konnte sich gerade noch am Mast festhalten. Die Verwundeten rutschten auf dem Boden zum Heck hin. Einer der Männer stöhnte auf. Der andere Krieger regte sich nicht mehr.
»Nessos, du übernimmst vorne links!«, kommandierte Orimedes ruhig. »Antafes, du läufst links neben der Sänfte. Ich halte mich rechts. Wir springen ein, sobald es einen weiteren Ausfall gibt. Die Sänfte darf nicht noch einmal stürzen! Los jetzt, wir…!« Ein unbeschreibliches Krachen und Knirschen schnitt ihm das Wort ab. Die Fassade des Lagerhauses begann sich in Richtung der Kais zu neigen.
So wie Shahondin sich stets übertrieben langsam vor Emerelle verbeugt hatte, um auf diese Weise die Geste der Unterwerfung zu verhöhnen, so neigte sich auch die Häuserwand mit verächtlicher Langsamkeit. Eine zwanzig Schritt hohe Flammenmauer, die sich vor dem Tod verneigte.
Einer der Holden sprang schreiend aus dem Nachen und versuchte das Hafenbecken zu erreichen. Die Kentauren gaben ihr Letztes, um aus dem Todesbereich zu entkommen. Rings herum prasselten Balken und Dachlatten nieder. Ollowain half Gondoran und dessen Gefährten, die brennenden Trümmer, die ins Boot stürzten, wieder über Bord zu werfen. Die Elfe, die sich an Orimedes festklammerte, verlor den Halt und rutschte von seinem Rücken. Ollowain sah, wie sie unter die Hufe der anderen Pferdemänner geriet. Wie eine Kinderpuppe wurde sie hin und her geschleudert und blieb zuletzt reglos liegen.
Der Kai hatte sich binnen Augenblicken geleert. Fast alle waren ins Hafenbecken gesprungen. Dicht übersät mit zersplitterten roten Dachschindeln, sah das Straßenpflaster aus, als blute es. Mit ihren eisenbeschlagenen Hufen gerieten die Kentauren auf dem unsicheren Grund immer wieder ins Rutschen. Das Boot schlingerte hin und her. Ollowain hatte sich niedergekauert, presste sich mit dem Rücken gegen eine der Bootsbänke und hielt Emerelle in seinen Armen. Kraftlos pendelte der Kopf der Königin bei jedem neuen Ruck.
Nessos strauchelte. Sofort sprang Antafes herbei und übernahm den Platz des Kentauren. Der blonde Nessos versuchte, wieder hochzukommen, doch seine Läufe wollten ihn nicht mehr tragen. Ollowain sah einen blutigen Knochen durch das Fell ragen. Trotzig streckte der Kentaur die Arme empor, als wollte er die Flammenwand umarmen, die ihm entgegenstürzte. Glühende Lohe verschluckte den Gestrauchelten. Wie eine Lawine aus Feuer schlug die Häuserwand über der Straße zusammen. Teile des Dachs stürzten ins Hafenbecken.
Die Hitze traf Ollowain wie ein Faustschlag ins Gesicht. Er spürte, wie seine Haut sich spannte. Seine Augen tränten wieder. Eine Wolke von Funken ging auf sie nieder. Schreie klan-gen aus dem Wasser. »Hier hinauf.« Die Kentauren waren am Lotussteig vorbeigelaufen. »Zurück!«
Eine breite Marmortreppe wand sich den Schanzhügel hinauf. Schon nach zwanzig Schritten und der ersten Wegkehre schienen sie in einer anderen Welt zu sein. Der Lotussteig war gesäumt von säulengeschmückten Prachtbauten. In schattigen Nischen wand sich Efeu. Auf jeder Treppenstufe waren Lichter aufgestellt. Nur wenige der Villen waren vom Feuer erfasst worden. Kobolde und bocksbeinige Faune versuchten, die Flammen hier unter Kontrolle zu bringen. Sie hatten eine Eimerkette zu einem Brunnen gebildet. Die hoch aufragenden Häuser mit ihren verspielten Giebeln verstellten den Blick auf den Hafen. Vom Inferno kündeten nur der rot leuchtende Himmel und einzelne, rußgeschwärzte Gestalten, die sich hierher gerettet hatten. Misstrauisch betrachtete Ollowain die wenigen Überlebenden, die aus den Flammen den Lotussteig hinaufkamen. Folgte ihnen jemand? Was mochte aus dem Bogenschützen geworden sein, der
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