Elfenwinter
Wasser?«, beendete der Bootsmeister das Schweigen. »Es gab Zeiten, da bin ich jeden Tag hier gewesen.«
»Wunderbar ist nicht das Wort, das ich gebrauchen würde«, sagte Yilvina. »Eindrucksvoll vielleicht.«
»Was wisst ihr schon von der Schönheit des Wassers?«, ent-gegnete Gondoran verschnupft. »Ihr habt ja keine Ahnung, welche Arbeit es macht, das Wasser zu hegen.«
»Du sprichst ja vom Wasser, als würdest du eine Herde Kühe hüten«, spottete der Kentaurenfürst. »Was ist schon dabei, auf Wasser zu achten?«
»Wenn wir das Wasser nicht hegen würden, dann würde ganz Vahan Calyd nur abgestandene, lauwarme Brühe trinken! Es fängt damit an, dass wir darauf achten, dass sich hier unten keine Ratten und ungewaschenen Kentauren herumtreiben, um im Trinkwasser zu baden. Jeder Tropfen hier ist durch tiefe Filtergruben geflossen. Die Normirga, das Volk, dem unsere Königin entstammt, haben einst Vahan Calyd erbaut. Sie haben magische Pumpen erschaffen, die das Wasser in Bewegung halten wie riesige Herzen. Wasser ist dazu geschaffen zu strömen, zu pulsieren und aus großer Höhe zu stürzen. So hältst du es lebendig, Pferdemann. Es atmet, wenn es aus den Speiern im Saal der fallenden Wasser hinabstürzt. Und mein Volk hegt dieses großartige Werk.«
»Ich fürchte, ich habe mich gerade eben an deinem Wasser vergangen. Ich streue Asche auf mein Haupt und tue Buße, doch ich konnte nicht länger an mich halten und habe mich erleichtert.«
Die anderen Kentauren prusteten los, doch Gondoran starrte den Fürsten einfach nur mit weit aufgerissenen Augen an.
»Du hast was?«
»Ich fürchte, ich habe zu schwer zu Mittag gegessen. Und dann die Aufregung. Das Feuer. Die Flucht. Das alles hat meine Verdauung angeregt.«
»Das ist ein Scherz, nicht wahr?«, sagte der Holde flehend. »Bitte sag, dass das ein Scherz ist.«
»Ich scherze niemals, wenn es um meine Äpfel geht«, entgeg-nete der Kentaurenfürst grinsend. »Wir können nicht lange an uns halten, wenn es so weit ist. Das hat mich auf manchem Fest der Elfen schon in arge Verlegenheit gebracht. Wir sind, wie uns die Alben erschaffen haben.« Er zuckte mit den Schultern. »Aber in der ungeheueren Menge von Wasser wird sich das sicher gut verteilen.«
Gondoran antwortete darauf nicht. Er und seine beiden Gefährten hüllten sich in Schweigen, während die Kentauren ihre derben Scherze fortsetzten.
Der Tunnel führte sie durch eine Schleusenkammer in ein weiteres Zisternenbecken. Hier mussten sie wieder schwimmen. Ab und an blickte Ollowain zurück. Es wäre ein Wunder, wenn ihr Verfolger im Saal der fallenden Wasser nicht ihre Spur verloren hätte. Gondoran hatte zwar nichts dazu gesagt, aber der Schwertmeister war sich sicher, dass der Holde mit Bedacht an einer Stelle durch den Wasservorhang getreten war, die ein gutes Stück von dem Tunnel entfernt lag, den sie dann gewählt hatten. Wer immer ihnen folgte, hatte die Auswahl zwischen mehr als zwei Dutzend Kanälen, die aus dem Kuppelsaal hinausführten.
Und dennoch blickte Ollowain immer wieder zurück. Es war auch unwahrscheinlich gewesen, dass ihr Verfolger die Geheimtür so schnell fand.
Nachdem keiner der Holden mehr auf die provozierenden Spaße der Kentauren einging, verstummten auch die Pferdemänner bald. Schweigend schwammen sie in ihrer kleinen Insel aus Licht durch die Finsternis. Ab und an passierten sie eine der riesigen Säulen, die die Zisternendecke trugen. Ollowain ließ seine Gedanken schweifen. Er dachte zurück an die Zeit mit Al-fadas. Die Königin hatte ihn damit beauftragt, den Menschensohn zu erziehen. Zuerst hatte er das als eine Strafe empfunden. Was wollte man von einem Menschen schon erwarten?
Er sollte ihn den Schwertkampf lehren, wohl wissend, dass er nicht einmal lange genug lebte, um auch nur in einer der siebenundzwanzig Künste des Tötens Vollkommenheit zu erlangen. Yilvina, seine beste Schülerin seit Jahrhunderten, hatte es bisher geschafft, in vier Künsten die Meisterschaft zu erlangen, wobei sie ihn im Kampf mit zwei Schwertern mittlerweile sogar übertraf.
Der Menschensohn hatte ihn überrascht. Obwohl ihm die Zeit fehlte, zur Vollkommenheit zu gelangen, glichen sein brennender Ehrgeiz und seine fast schon unheimliche Begabung diesen Nachteil aus. In der Welt der Menschen würde es niemanden geben, der ihm gewachsen war. Ollowain fragte sich, was wohl aus seinem Schüler geworden sein mochte. Besaß er die Reife, mit seinem Können umzugehen? Oder hatte er
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