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Elfenwinter

Elfenwinter

Titel: Elfenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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freundliche Geste die Angst zu vertreiben. Kaum jemand wagte es, dem Blick eines Trolls zu begegnen. Wie hatten diese Wichte sie einst besiegen können, fragte sich Orgrim.
    Der Ruf von Hörnern durchbrach die Stille. Branbart trat aus der Gruppe seiner Anführer hervor und stellte sich neben die Tote mit der Schwanenkrone. Geräuschvoll zog er die Nase hoch und spuckte aus.
    »Albenkinder!«, rief er mit lauter Stimme. »Ich bin gekommen, euch die Freiheit zu schenken. Die Tyrannin ist tot!« Er wandte sich halb zu Emerelle herum, und plötzlich rammte er der Toten die Faust in die Brust. Ihre dünnen Rippen zerbarsten. Stinkende bräunliche Flüssigkeit troff von der Wunde. Branbarts Finger wühlten in der Brust der Toten. Dann riss er den Arm hoch und streckte den Albenkindern einen fauligen klumpen Fleisch entgegen. »Ein verrottetes Herz hat Albenmark vergiftet!«, schrie er mit sich überschlagender Stimme. »Ich habe es herausgerissen, damit das Land wieder gesunden kann. Die Alben haben nie gewollt, dass eines ihrer Kinder über allen anderen steht. Dass einer von uns allein entscheidet, was Recht und was Unrecht ist. Dass eine allen sagt, wie sie leben sollen, und jene, die ihr nicht gehorchen, davonjagt oder gar ermordet. In der letzten Nacht haben wir Trolle altes Unrecht gesühnt. Doch wir führen keinen Krieg gegen Albenmark. Wir kämpfen allein gegen Emerelle und gegen alle, die der Tyrannin treu ergeben sind. Deshalb seid ihr frei zu gehen. Kommt her, seht der toten Königin ins Antlitz und tragt die Kunde in alle Winde hinaus. Die Völker Albenmarks sind frei. Ich bin der König meines Volkes, doch die Schwanenkrone wird niemals mein Haupt krönen. Und niemand wird sich mehr vor ihr verbeugen.«
    Branbart schnauzte sich und spuckte erneut aus. Ohne diese Geste wäre das Ende seiner Rede ergreifender gewesen. Doch selbst Orgrim musste sich eingestehen, dass die Worte seines Königs ihn aufgewühlt hatten. Branbart war ein wahrer Herrscher! Von ihm konnte er noch viel lernen.
    Seine Fürsten begrüßten die Rede des Königs mit Jubelrufen, und auch die übrigen Trolle ließen Branbart hochleben. Überall in der Stadt wurden Hörner geblasen. Die Albenkinder auf dem Muschelfischermarkt waren so eingeschüchtert, dass dort zunächst nur einzelne in das Geschrei einstimmten. Nach und nach stimmten mehr ein, doch es blieb ein schwächlicher Jubel, dem seine Halbherzigkeit nur allzu deutlich anzuhören war. Jahrhunderte unter der Knute Emerelles hatten die Herzen der Albenvölker gefesselt, dachte Orgrim. Der Wind der Freiheit war wie ein Sturm über sie hinweggezogen, und noch wagten die meisten kaum zu atmen. Was für jämmerliche Wichte!
    Der Troll konnte beobachten, wie stattliche Kentauren und die bärenstarken Minotauren trotzig mit verschränkten Armen dort standen. Und doch wagten sie es nicht, einen der Sieger mit Blicken zu fordern, sondern sahen verschämt zu Boden. Wie erbärmlich! Aber Orgrim war zuversichtlich, dass sie wieder zu ihrem Stolz finden würden. Und wäre es erst die nächste Generation von Albenkindern, jene, die in Freiheit geboren sein würden.
    Die Wachen auf dem Platz packten einige Elfen und zerrten sie vor den Kadaver der Königin. »Seht sie euch an! Emerelle ist nur noch ein verrottendes Stück Fleisch. Seht genau hin, damit ihr es nicht vergesst.« Bleiche Maden kullerten aus der klaffenden Wunde in der Brust der falschen Herrscherin. Der Geruch, den sie verströmte, war ganz und gar nicht königinnenhaft.
    Eine Elfe brach schluchzend zusammen, als sie gezwungen wurde, sich dem Kadaver bis auf wenige Zoll zu nähern. Viele, die an der Herrscherin vorbeimarschierten, hatten Tränen in den Augen. Orgrim war unbegreiflich, warum sie der Tyrannin nachtrauerten.
    Er sah zum falschen Schwertmeister hinab. Die Ereignisse der Nacht hatten Orgrim nicht erlaubt, sein Festmahl zu halten. Nun war der Zeitpunkt verpasst. Es war eine Schande, dass er diesem Elfenhelden nicht die letzte Ehre erweisen konnte, indem er sein Herz verspeiste. Wenn er daran dachte, wie viel verdorbenes Fleisch in der Stadt lag, packte ihn die kalte Wut. Was für eine Verschwendung! Er war froh, dass die Flotte schon bald Vahan Calyd verlassen würde, um einen nördlichen Kurs zu steuern.
    Branbart ging zu seinem Gefolge herüber. Sie würden jetzt irgendwo ein Fest feiern, dachte Orgrim eifersüchtig. Und er war sich sicher, dass sie sich ein paar saftige Braten aufgehoben hatten. Ein paar Elflein, die man

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