Elfenzauber (Mithgar 1)
– etwas aus der Vergangenheit, was sich vor langer Zeit zugetragen hat, oder auch erst kürzlich. Etwas aus der Gegenwart, nah oder fern. Oder etwas aus einer noch bevorstehenden Zukunft.
Und eben das habe ich getan, in die Flammen gestarrt, als ich den Schrecken des Grünen Steins erblickte…«
6. Kapitel
Zwischen dem Rimmen-Gebirge im Norden und Osten, dem Fluss Rissanin im Süden und dem gewaltigen Strom Argon im Westen liegt ein riesiger Wald namens Darda Erynian, auch das Grüne Haus genannt. Durch den nördlichen Teil dieses ehrwürdigen Waldes zieht sich eine uralte Handelsroute in Ost-West-Richtung, die Überlandstraße, und Kaufleute und Reisende folgen diesem Weg. Gewöhnliche Leute bereisen dieses Waldgebiet auf keiner anderen Route, denn es heißt, dass diese Wälder von Elfen und riesigen Menschen und, noch schlimmer, von den Verborgenen bewohnt seien, die alle im dichten grünen Blattwerk und den Schatten lauern mögen. Von den Kaufleuten und Reisenden, den Karawanen und Gruppen, den Reitern und Fußgängern, die diesen Weg nehmen, entfernt sich nur ganz selten jemand von der Straße, bis sie den tiefen, unheimlichen Wald hinter sich gelassen haben.
Selbst im Winter, wenn die Blätter abgefallen sind und nur noch kahle Stämme und nackte Äste in den Himmel zeigen, selbst dann sorgt der Wald bei den Reisenden für Beklommenheit, vielleicht noch mehr als im Sommer, denn dann sieht das nackte Gesträuch so aus, als wollten raue, hölzerne Krallen jeden lebenden Dummkopf in Reichweite packen und zerreißen.
Angesichts seines Rufs kann es nicht überraschen, dass gewöhnliche Reisende ängstlich sind, wenn sie den Wald durchqueren sollen. Manche sagen, der Wald werde tatsächlich von den Verborgenen beschützt – von zornigen Bäumen, lebenden Hügeln, ächzenden Steinen, gewaltigen Riesen und anderen Kreaturen aus Sagen und Legenden. Wehe der unglücklichen Seele, welche die Warnungen ignoriert und zu tief in dieses schattige Gefilde eindringt … oder jedenfalls heißt es so.
Trotz aller Sagen und Legenden wohnen in Darda Erynian die Dylvana, denn die Elfen kennen die Wahrheit über diesen Wald.
7. Kapitel
Auf einer grünen Lichtung in Darda Erynian saß Arin und starrte tief in die Flammen. Sie hörte weder den entfernten Klang der Jagdhörner noch das Donnern entfernter Hufe, während Rissa und Vanidar und die anderen die Jagd genossen. Nein, sie hörte sie nicht, noch war sie bei ihnen, und ihr eigener Bogen lag neben ihr – nicht gespannt und von ihr unbeachtet, da sie sich um eine Vision bemühte.
Seit Tagen spürte sie den Zug der Flammen, als rufe ihr die Essenz des Feuers zu, dass sie etwas darin suchen und finden müsse. Als ihre Gefährten im Lager aufgesessen waren, hatte Arin sie also mit einem Winken verabschiedet. Nun fütterte sie auf der einsamen Lichtung unter den wandelnden Sternen das kleine Feuer mit winzigen Zweigen. Tief schaute sie in die Flammen, während in weiter Ferne ein Hirsch verzweifelt um sein Leben rannte, dem berittene Jäger hinterherjagten.
Arin, die Seherin am Feuer, war eine Seltenheit unter den Elfen, denn manchmal wurden ihr Ereignisse gewahr – nah und fern, vergangen, gegenwärtig und zukünftig –, sowohl bekannte als auch unbekannte. Für jene, die selbst nicht zauberkundig sind, ist jedes Ausüben dessen, was gewöhnliche Leute Magie nennen, in der Tat sehr wundersam. Doch Arins Blicke über Jahreszeiten und Entfernungen schienen zufällig und sporadisch zu sein, und sie kamen nur, wenn sie ins Feuer schaute.
Arin hatte bislang nur von einer anderen Elfe gehört, die das zweite Gesicht besaß. Rael, eine Lian, die gegenwärtig in Darda Galion wohnte, dem großen Greisenbaumwald im Südwesten. Sie konnte ebenfalls Ereignisse jenseits der normalen Wahrnehmung erblicken, obwohl sie angeblich einen Kristall anstelle eines Feuers als Fokus benutzte.
Zwei Frauen waren es unter allen Elfen, die Visionen empfingen. Lag es daran, dass die Männer ihrer Rasse nicht die Kraft hatten? Oder lag es daran, dass nur die Frauen die Geduld besaßen? Arin wusste es nicht.
Sie schüttelte den Kopf, um diese Überlegungen zu vertreiben, um ihren Geist zu leeren und ihn ganz den Flammen zu öffnen. Doch die Vision wollte sich nicht einstellen… und nicht einstellen… und nicht einstellen… obwohl das Feuer heiß in ihrer Seele brannte.
Arin wusste nicht, wie lange sie in die lodernden Flammen gestarrt hatte, aber schließlich wurde sie von
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