Elfenzauber (Mithgar 1)
erwiderte Arin.
»Ihr könnt sprechen, Dara.«
»Vi oren ana.«
»Benutzt die Gemeinsprache, Dara. Könnt Ihr mich hören?«
»Ich höre Euch.«
»Gut.« Lysanne wandte sich an Aiko. »Kind von Ryodo, merkt Euch alles, was Ihr sehr und hört.«
Aikos schwarze Augen funkelten, und sie nickte einmal fest und bestimmt.
Nun wandte Lysanne sich wieder an Arin. »Dara, auch Ihr werdet Euch anschließend an alles Vorgefallene erinnern. Habt Ihr verstanden?«
Arin nickte zögernd.
»Gut.« Lysanne lehnte sich auf ihrem weichen Polstersessel zurück und legte die Finger zusammen. »Ich will, dass Ihr zu der Nacht auf der Lichtung zurückkehrt, als Ihr die Vision gesehen habt.«
Arin bewegte sich unbehaglich hin und her, und ihre Atmung beschleunigte sich.
»Es ist alles in Ordnung, Dara«, beruhigte sie Lysanne. »Ich bin ebenso hier wie Aiko, und nichts Böses ist zugegen.«
Das Wispern von Stahl auf Stahl war zu hören, als Aiko ihre Schwerter aus der Scheide zog. »Ich werde Euch beschützen, Dara.«
Lysanne sah die goldhäutige Kriegerin stirnrunzelnd an, doch Arin schien sich ein wenig zu entspannen, obwohl ihr Atem immer noch in raschen Stößen ging.
»Was seht und hört Ihr, Dara?«
»Ich sehe die Flammen. Ich höre die Hörner.«
»Hörner?«
»Die Jagdhörner. Ich weiß, dass der Hirsch jetzt auf der Flucht ist.«
»Aha.« Lysanne nickte. »Ich verstehe. Doch nun, Dara, will ich, dass Ihr Euch in der Zeit vorwärts bewegt bis zum Ende der Jagd und zur Rückkehr der Jäger zu der Stelle, wo die Vision beginnt. Sagt mir, was Ihr jetzt seht.«
»Blut.«
»Blut?«
»Das Blut des getöteten Hirsches.«
»Und…?«
»Ich schaue weg und in die Flammen. Oh, oh, oh.« Arin fing an zu weinen.
Lysanne beugte sich vor und nahm Arins Hand. Einen Augenblick später zuckte sie zurück, als die Dylvana ihre Finger schmerzhaft fest umschloss. »Bleibt ruhig, meine Liebe. Bleibt ruhig.«
Doch Arin drückte immer fester zu und rief: »Ach, Adon, lass es nicht zu.«
»Dara Arin?«
»Ein Blutbad. Ein furchtbares Gemetzel.«
»Dara Arin!«
»Drachen…«
»Dara, hört mir zu!«
»Ach, die Kinder. Oh, oh, oh… ich kann nicht, ich kann nicht, ich kann nicht…«
Jetzt rief Lysanne mit scharfer Stimme: »Dara Arin, hört mir zu! Lasst diese bösen Visionen hinter Euch, das Blut, die Toten, das Leid. Sucht einen Ort der Ruhe.«
Arins Kopf ruckte hierhin und dorthin und wieder zurück. »Es gibt keinen solchen Ort.«
»Dann hört mir zu, Arin. Hört auf meine Stimme. Hört mich an. Die Zeit steht still! Alles ist in einem einzigen Augenblick erstarrt! Nichts bewegt sich! Überhaupt nichts. Nichts. Alles ist so festgefügt wie in einem Bild oder Wandteppich.«
Allmählich beruhigte Arin sich, bis sie sich nicht mehr bewegte, obwohl sie auch weiterhin stoßweise und angestrengt atmete. Ihr Griff entspannte sich ein wenig, aber Lysanne hielt ihre Hand weiter fest.
»Arin, ich will, dass Ihr an diesen erstarrten Bildern vorbeilauft, bis Ihr zu der Stelle gelangt, wo Ihr den Anblick nicht mehr ertragen konntet und Geist und Seele davor fliehen mussten. Geht zu der Stelle, wo die Vision, die Ihr dem Rat vorgetragen habt, endet, aber geht nicht weiter, denn dort werden wir finden, was Ihr bislang vergessen habt.«
Arin ächzte. »Entsetzen«, murmelte sie. »Zwischen hier und dort.«
»Geht daran vorbei, Dara, daran vorbei. Zum Ende Eurer Erzählung.«
Wieder stöhnte Arin, und es schien, als kämpfe sie darum, zerklüftetes Land zu durchqueren. Schließlich verlangsamte sich ihr Atem.
»Habt Ihr die Stelle erreicht, wo Eure Erinnerung endet?«
»Ja.«
»Gut. Hört mir zu. Ich will, dass Ihr mir sagt, was Ihr seht.«
Arin schwieg.
»Erzählt es mir«, forderte Lysanne.
Arin schüttelte den Kopf und murmelte: »Nichts. Ich sehe nichts. Alles ist in Dunkelheit gehüllt.«
»Dunkelheit?«
»Ja.«
»Und Ihr seht überhaupt nichts?«
»Nichts.«
Gedankenverloren sah sich Lysanne in dem Raum um, ohne tatsächlich etwas wahrzunehmen. Jetzt wandte sie sich wieder an Arin. »Gibt es Erinnerungen aus dieser Dunkelheit?«
Arins Atmung beschleunigte sich wieder. »Ja.«
»Erinnerungen woran?«
»Ich weiß es nicht genau. Eine Stimme, Runen, Wissen?«
Lysanne beugte sich vor und legte Arin eine Hand auf die Stirn. »Recodare!«, verlangte sie.
Arin richtete sich auf und riss die Augen auf, aber sie waren auf einen Punkt jenseits von Zeit und Raum gerichtet. Mit einer Stimme, die eigentümlich fremd klang,
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