Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt - Schartz, S: Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt
zu kümmern, nachdem er hinter der Bühne zusammenbrach, und nichts an die Tagespresse weitergegeben, obwohl Sie eine Menge Geld damit hätten verdienen können. Der Eklat beim Sender war groß.«
»Es tut mir leid, wenn Sie jetzt verklagt werden«, bedauerte Nadja.
Der Grandseigneur winkte ab. Er besaß die feinporige Haut eines Adligen, und seine Haltung drückte die Herrscherpose von Generationen aus, die in Fleisch und Blut übergegangen war und mittels Genen vererbt wurde. »Das sind für mich Lappalien, meine Liebe, ich verfüge über Millionen. Und wenn ich mit der Plattenfirma und dem Sender fertig bin, werde ich immer noch Millionen besitzen.« Der alte Herr beugte sich leicht vor. »Sie wollen über unseren Sohn schreiben?«
»Ja, in gewissem Sinne«, antwortete Nadja. »Ich würde eher sagen, es ist ein Bericht über mich, wie ich Sébastien erlebte. Deshalb wollte ich mit Ihnen sprechen. Damit Sie verstehen, was ich schreiben will, möchte ich Ihnen ein paar Auszüge vorlesen. Dann entscheiden Sie bitte, ob wir uns weiter unterhalten. Ich habe das Okay meines Redakteurs, aber ich kann den Bericht canceln.«
Gott, was red ich da für einen Unsinn!
, fuhr es ihr durch Mark und Bein. Sie fing auch schon mit diesem Kauderwelsch an, wie es in Medien und Wirtschaft heutzutage üblich war. Eine ganz eigene Sprache. Wenigstens hatte sich das nicht auf ihren Text übertragen.
»Bitte, lesen Sie«, forderte Astilbe.
Nadja war nervös, räusperte sich und gab sich einen Ruck. Da musste sie jetzt durch. Ihre Finger zitterten leicht, als sie das Papier hochnahm und einige Passagen zum Besten gab. Mit Absicht wählte sie andere aus als diejenigen, die sie dem Redakteur vorgelesen hatte. Fünf Minuten später blickte sie auf.
Die Familie schwieg. Astilbe und Charles hatten Tränen in den Augen. Rose musterte sie intensiv wie eine Wissenschaftlerin. Martin nickte nach einer Weile.
»Wir verstehen uns«, sagte er leise.
Nadja atmete erleichtert aus. »Darf mein Fotograf mit einbezogen werden?«
»Ja. Wir werden ihm zusätzliche Fotos von Sébastien zur Verfügung stellen, die er entsprechend bearbeiten kann, damit sie in die Reportage passen.« Martin ließ sich Tee nachschenken, nahm die Tasse und lehnte sich zurück. Dann schlug er ein Bein über das andere. »Heute Morgen haben sie Eliette gefunden«, schwenkte er ohne Vorwarnung um.
Nadja sah ihn schockiert an. »Tot?«
»Ja. Die Obduktion läuft noch, aber sie wird wahrscheinlich nicht viel ergeben. Als ob das Leben aus ihr gesaugt worden wäre.«
»Das Blut«, ergänzte Charles. »Sie hatte keinen Tropfen Blut mehr in sich. Aber es gibt kein Anzeichen äußerer Gewalteinwirkung.« Er grinste schief. »Vampire scheiden vermutlich aus, denn es gab keine Bissoder Einstichspuren.«
Nadja wurde leicht schwindlig. »Aber …«
»Man wollte wohl, dass man sie findet«, berichtete Martin weiter. »Sie lag in den frühen Morgenstunden, etwa zwischen drei und vier Uhr, in der Nähe der Pyramide des Louvre.«
»Arme Eliette.«
»Ja. Und ich denke, es soll eine Warnung an uns sein. Denn ich glaube, man hat sie nur wegen Sébastiens Songs getötet. Sie ahnen gar nicht, wie viele Leute mittlerweile hinterher sind. Wir erhielten anonyme Drohungen und dergleichen mehr, die Klage der Plattenfirma ist dagegen harmlos.«
Nadja bekam es nun mit der Angst. »Aber es muss doch Masterbänder geben, Datenspeicher …«
Martin lächelte fein. »Nein, nicht mehr. Wir haben alles. Ich habe meine Beziehungen spielen lassen. Ich ließ sofort alles beschlagnahmen, nachdem wir übers Fernsehen erfuhren, dass Boy X nicht auftreten würde. Nach allem, was ich bisher mitbekommen hatte, musste ich sofort reagieren. Noch in derselben Stunde, also etwa einundzwanzig Uhr. Dann fuhren wir nach Paris.«
Charles zog ein verlegenes Gesicht. Er hatte seine Familie schonen wollen. Dabei hatte sein Vater längst alles in die Hand genommen, weil er weit vorausblickte. Anscheinend war der alte Herr auch so etwas wie ein Grenzgänger; nur hatte er nie direkten Kontakt zur Anderswelt bekommen.
»Und was haben Sie mit alledem gemacht?«, wollte Nadja wissen.
»Den Rat Ihres Fotografen angenommen und alles vernichtet. Restlos.« Martin sah sie aus klaren Augen an. »Auch, wenn es uns sehr schwerfiel. Doch die Texte machten mir Angst, das war überhaupt nicht mehr unser Sébastien. Und ich hatte das Gefühl, beobachtet zu werden, als ich die Songs hörte. Durch einen Spiegel …«
»Sie haben
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