Elfenzeit 13: Im Reich des Priesterkönigs - Kern, C: Elfenzeit 13: Im Reich des Priesterkönigs
Schatten hart und kurz auf den Boden. Die Bäume, die er in der Ferne entdeckte, wirkten mit ihren grünen Kronen so deplatziert, als hätte der Schöpfer dieser Landschaft sie an einen anderen Ort bringen wollen und vergessen.
Das dürfte die Oase sein
. Robert schüttelte leicht den Kopf.
Sie erreichten sie einige Stunden später, nachdem die Schatten lang geworden waren und die Sonne rot wie Sand und Steine über dem Horizont hing. Es war eine kleine Oase. Palmen gruppierten sich um einen Teich, der in einer Senke lag. Schilf wehte im Wind. Zwei Kamele sahen auf, als die Elfen näher kamen, und gingen mit gemessenen Schritten zurück in die Wüste.
Die Pferde drängten sich um den Teich. Elfen rissen sich die Rüstung vom Leib und sprangen in das klare, helle Wasser. Erschrocken flatterten Vögel aus den Bäumen hoch. Ein süßlicher Geruch hing in der Luft.
Robert stieg von seinem Pferd und hockte sich ans Ufer. Er zog sein Hemd aus, schüttete sich Wasser über den Kopf und wusch Staub und Dreck ab. Es tat gut, und die Müdigkeit, die ihn niedergedrückt hatte, verschwand.
Neben ihm tauchte Nadja prustend aus dem Wasser auf. Sie trug nur noch Unterwäsche. Ihre restliche Kleidung lag zusammengeknüllt am Ufer.
»Komm doch rein«, sagte sie.
Er schüttelte den Kopf. »Vielleicht später.«
Die Elfen tranken das Wasser und wuschen sich darin. Wären sie Menschen gewesen, hätten sie wohl gelacht und sich umarmt, ihr Überleben gefeiert, aber dies waren Elfen, und entsprechend verhalten fiel ihre Freude aus. Robert hörte niemanden lachen. Nur hin und wieder sah er ein Lächeln.
Suchend drehte er sich um. Anne stand allein am Rand der Oase und starrte in die Wüste hinaus. Ihr langes Haar war nass. Er stand auf und ging zu ihr.
»Wieder eine Etappe überlebt«, sagte er und legte den Arm um ihre Hüften. »Wir machen das gar nicht schlecht.«
Sie reagierte nicht auf seine Worte. Ihr Blick war auf den Berg jenseits der Wüste gerichtet. Zum ersten Mal seit Beginn der Reise hatte Robert den Eindruck, dass sie ihm näher gekommen waren.
»Wieso kann ich mich nicht erinnern?«, fragte Anne plötzlich. »Ich weiß, dass ich an diesem See war, als er erschaffen wurde. Ich erinnere mich an die Elefanten und die Antilopenherden, welche an seinen Ufern grasten. Ich erinnere mich an die Gespräche mit demjenigen, den du als Priesterkönig Johannes kennst, aber nicht an seinen wahren Namen oder sein Aussehen.«
»Du hast selbst gesagt, jemand habe dir die Erinnerung genommen.«
Sie nickte. »Ja, aber warum? Und wenn mir diese Erinnerung genommen wurde, welche noch?«
Sie wirkte verunsichert, fast schon verletzlich. Robert zog sie an sich. »Wir werden es herausfinden«, sagte er leise.
»Vielleicht.«
Er spürte den Druck ihres Körpers und ihre Hand in seinem Rücken. Sie glitt langsam auf und ab, nicht leidenschaftlich, nicht fordernd, sondern zärtlich und
menschlich
. Das Wort brachte ein Lächeln auf seine Züge.
Aneinandergelehnt blieben sie stehen und betrachteten den Berg in der untergehenden Sonne. Sein Gipfel war hinter dichten rötlichen Wolken verborgen.
»Woran denkst du?«, fragte er nach einer Weile.
»Daran, wie ich den töten werde, der mir meine Erinnerungen genommen hat.«
Robert seufzte innerlich. Der Moment der Menschlichkeit war offensichtlich vorbei. Wie zur Bestätigung löste sich Anne aus seiner Umarmung und drehte sich um.
»Sie streiten sich«, sagte sie.
Robert folgte ihrem Blick. Ceana und Fionn standen abseits von den anderen Elfen. Fionn gestikulierte heftig, Ceana hörte ihm ohne jede Regung zu, die Arme vor der Brust verschränkt. Sie schien ihre Entscheidung längst getroffen zu haben, sofern er ihre Haltung richtig deutete.
»Kannst du verstehen, worum es geht?«, fragte Robert.
Anne schüttelte den Kopf. »Sie sind zu weit weg.«
In einer letzten dramatischen Geste warf Fionn die Arme hoch, dann wandte er sich ab. Sichtlich wütend und frustriert ging er durch das hohe Gras, genau auf Robert und Anne zu. »Ich bin es satt«, sagte er, wohl mehr zu sich selbst als zu einem Zuhörer. »So satt.«
»Probleme?«, fragte Robert.
Fionn winkte ab und machte noch einige Schritte, aber dann drehte er sich um. »Es ist immer dasselbe.« Seine Wut sprudelte mit den Worten aus ihm heraus. »Sie denkt, dass sie alles besser weiß, dass Gottes Wille sie leitet, aber nicht mich. Sie sagt: Wir greifen die Stadt an. Ich sage: Wir sind zu geschwächt. Was passiert? Wir werden
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