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Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig - Schartz, S: Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig

Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig - Schartz, S: Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig

Titel: Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig - Schartz, S: Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Schartz
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ausgeglichen, meist gut gelaunt und lächelnd. Sie hatte niemals erlebt, dass er den Mut verloren oder sich einer tiefen Melancholie hingegeben hätte. »Venedig war einst der mächtigste Stadtstaat der menschlichen Welt und einer der reichsten. Schillernde Persönlichkeiten machten ihn zudem über die Jahrhunderte als kulturelles Ziel berühmt.«
    »Aber die Stadt vergreist«, gab Nadja das Wissen preis, das sie recherchiert hatte. »Es gibt nur noch etwa siebzigtausend Einwohner, weil die jungen Leute keine Arbeit mehr finden. Außerdem bietet das Festland mehr Freizeit- und Vergnügungsaktivitäten. Und das Meer holt sich nach und nach zurück, was die Menschen ihm entrissen haben. In den vergangenen zwanzig Jahren ist der Boden um zehn Zentimeter abgesackt, und jedes neue Hochwasser lässt mehr abbröckeln. Viele Häuser sind nicht mehr zu renovieren und werden an standfestere Gebäude geklammert.«
    »Einsam wird es dort trotzdem nicht, denn jedes Jahr kommen zehn Millionen Touristen«, fuhr Fabio fort. »Die Stadt ist ein interaktives Museum, das vom Glanz der vergangenen Pracht und Reichtum träumt. Jedes Haus ist ein Denkmal, und die Touristen erleben die Venezianer live bei der Arbeit und in der Freizeit.« Es war deutlich zu hören, dass er bewegt war. Ihn verband mit der Stadt offensichtlich weitaus mehr als die familiären Wurzeln seiner verstorbenen Frau.
    »Fabio, bist du Venezianer?«, fragte Rian.
    »Ja.«
    Nadja hätte gern gefragt, warum er nie mit ihr hingefahren war. Warum er erst jetzt erzählt hatte, dass die Familie in Venedig ein Haus besaß, offenbar schon seit Generationen. Aber sicher würde das gewohnte Schweigen darauf folgen. Sie presste die Lippen aufeinander und war einen Moment lang wütend, doch dann entschied sie sich, dass sie die Vergangenheit ruhen lassen sollte, bis sich die passende Gelegenheit zur Aufklärung ergab. Jetzt, an diesem herrlichen Novembertag, wollte sie sich auf Venedig freuen.
    Von Mestre aus fuhren sie über die Autobahnbrücke, die den stolzen Namen »Ponte della Libertà« trug, zum Parkplatz der Piazzale Roma. Nadja konnte von hier aus einen ersten Blick auf die Lagunenstadt werfen, und ihr Herz pochte aufgeregt. Genau so, wie es in allen Dokumentationen und Bildbänden gezeigt wurde, präsentierte sich Venedig vor ihren Augen. Mitten aus dem Wasser erhoben sich die Häuser wie gewachsen, größtenteils halb verfallen, doch mit prächtigen Fassaden, in Weiß und Gelb, vorwiegend jedoch Rosa in allen Schattierungen. Orientalische Einflüsse fanden sich zuhauf; neben manchen römischen Bögen und Säulen zeigten sich fein geschwungene arabische Spitzbogenfenster in abgesetztem Weiß vor dunklerem Grund. Aber es gab auch barocke Kirchen und gotische Prachtbauten. Nadja fuhr das Fenster herunter und hatte schon zehn digitale Bilder verschossen, noch bevor der Wagen die Brücke verließ.
    Auf dem Parkplatz herrschte dichtes Gedränge, aber Fabio störte sich nicht daran. Er schlängelte sich mit dem Alfa rücksichtslos durch und sauste in eine gerade frei gewordene Lücke, auf die schon mehrere andere Wagen warteten, deren Fahrer nun das Nachsehen hatten. Die Wartenden fluchten, schimpften und schienen zu überlegen, ob sie aussteigen und Fabio eins auf die Nase geben sollten; allerdings hätte das den Alfa nicht aus der Lücke gebracht, und für alle wäre sowieso kein Platz gewesen. Also hinnehmen und weiterfahren. Das vermittelte Fabio ihnen lautstark durchs geöffnete Fenster, mit fuchtelndem Arm und autoritärer Stimme, die deutlich machte, dass er hier der Platzhirsch war und keine Nebenbuhler duldete.
    Trotzdem ließ sich einer nicht beeindrucken. Der Mann fasste sich offenbar als Parkplatzwächter auf, denn er trug eine dunkelblaue, schlecht sitzende Uniform. Mit gewichtigen Schritten stapfte er auf den Alfa zu und wedelte drohend mit dem rechten Zeigefinger. »Das können Sie nicht machen!«
    »Was kann ich nicht machen?«, fragte Fabio verwundert.
    »Hier parken!«
    »Aber Sie sehen doch, dass ich es kann.«
    »Sie haben sich rücksichtslos vorgedrängelt, und …«
    Fabio beugte sich ein wenig aus dem Fenster. »Es ist«, sagte er mit sanfter, zugleich eindringlicher Stimme, »
mein
Platz.«
    Nadja machte sich ganz klein und tat so, als wäre sie blind und taub.
    Der Wächter hielt kurz inne. Dann sank sein Finger herab. »Natürlich, Signore«, sagte er mit völlig veränderter Tonlage. »Einen schönen Tag wünsche ich.« Er drehte sich um und ging.

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