Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig - Schartz, S: Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig
trinken.«
Sie gingen in eine Seitengasse und fanden Platz in einer kleinen Bar. Fabio bestellte für beide Cappuccino und Brioche.
»Wie fühlst du dich?«, eröffnete er die Unterhaltung.
»Ganz gut«, antwortete sie. »Tja, nun habe ich eine Menge Artikel vergeben, nur bin ich mal wieder pleite.«
»Bist du nicht«, sagte Fabio ruhig. »Du hast das Erbe deiner Mutter.«
»Was … was soll das heißen?« Sie war schockiert, weil sie wieder einmal völlig unerwartet über etwas in Kenntnis gesetzt wurde, das ihr weiteres Leben betraf.
Fabio tunkte das Brioche ein. »Am zehnten Dezember bekommst du eine Lebensversicherung ausbezahlt, die deine Mutter nach deiner Geburt auf dich abgeschlossen hat. Das Datum war von Anfang an so festgesetzt.«
Nadja ließ ihr Gebäck liegen. »Von wie viel sprechen wir hier?«
»Etwa zweihunderttausend Euro. Wird eine Weile reichen.« Fabio sprach leichthin, biss von dem Brioche ab und spülte mit Kaffee hinterher.
Nadja klappte der Unterkiefer herunter. »Zwei…«
»…hunderttausend, ja. Sie hat den Vertrag sehr geschickt ausgehandelt, sodass auch die heutige Rezession sich kaum auswirkt. Und es ist steuerfrei.«
Nadja saß wie erschlagen da. Natürlich konnte sie ihrem Vater diesmal keine Vorhaltungen machen, nichts darüber gesagt zu haben – sie sollte ihren eigenen Weg gehen, ohne Beeinflussung durch das künftige Vermögen. Und gewiss hatte er es ihr ursprünglich nicht vor dem zehnten Dezember sagen wollen, doch jetzt hatte die Gelegenheit besser gepasst. Die Tränen schossen ihr in die Augen. »Das hat sie für mich getan?« Zum ersten Mal war ihre Mutter ihr nahe. Es gab etwas von ihr, eine Unterschrift auf einem Papier. Nadja würde Fabio bitten, die Urkunde sehen zu dürfen.
»Cara …« Fabio beugte sich vor und legte seine Hand auf ihren Arm. »Sie hat dich über alles geliebt, und sie wollte dich nicht verlassen.«
»Schon gut, Papa.« Sie streichelte seinen Arm. »Auf sie war ich nie böse und auf dich bin ich es ausnahmsweise auch einmal nicht.«
»Sehr gut«, sagte er erleichtert. »Dann lass uns über das Haus reden. Ich habe zum Mittagessen den Termin beim Anwalt.«
Darin war sich Nadja inzwischen sicher. »Ich will es nicht, Fabio. Ich werde nie in Venedig leben, und sollte ich für ein paar Tage herkommen wollen, kann ich in ein Hotel gehen. Aber dieser langsame Verfall um mich herum würde mich auf Dauer wahnsinnig machen. Ich will Leben um mich, Neonlichter, Verkehrsstau, Einkaufspassagen und Nachteulen.« Sie zuckte mit den Achseln. »Wenn du es nicht verkaufen willst, behalte es. Aber schreibe es bitte nicht auf mich um.«
Fabio rieb sich den Bart. »Also gut, verschieben wir es. Ich kann den Anwalt ja ein Angebot an die Familie ausstellen lassen.«
»Was ist denn mit … meinen Großeltern? Die Eltern meiner Mutter? Warum habe ich sie nie kennengelernt?«
»Sie sind damals nach Sizilien gezogen und haben jeglichen Kontakt zu mir abgebrochen. Um ehrlich zu sein, geben sie mir die Schuld an dem, was mit deiner Mutter passiert ist. Es ist möglich, dass sie noch leben, aber sie müssten mindestens Mitte achtzig sein.«
»Wirst du mir jemals von ihr erzählen? Meiner Mutter?«, fragte Nadja leise.
»Ja, Fiorellina«, sagte er sanft. »Aber bitte gib mir noch ein bisschen Zeit. Du musst mir einfach vertrauen, und wenn du alles erfahren hast, wirst du mich verstehen.«
»Und das soll ich einem Elfen glauben?«
»Du sollst es deinem Vater glauben.«
Am Abend kamen David und Rian zum ersten Mal nach unten. Sie sahen noch sehr blass und müde aus und würden weitere Tage zur Erholung brauchen, aber immerhin konnten sie wieder auf eigenen Beinen stehen. Das erste gemeinsame Abendessen in Venedig verlief fröhlich, und Fabio sparte nicht an Anekdoten. Beim Dessert und Espresso kamen sie schließlich wieder auf Tramonto zu sprechen. David musste gestehen, dass er keine Ahnung hatte, wie er dorthin gekommen war.
»Als ich durch den Baum fiel«, berichtete er, »war es ein Portal. Ich landete irgendwo, aber bevor ich mich orientieren konnte, verlor ich das Bewusstsein. Und dann dauerte es, bis ich mich wieder erinnerte.«
Danach musste Nadja ihre Geschichte noch einmal erzählen, und diesmal ausführlicher.
»Wie hat der Getreue ausgesehen?«, rief Pirx dazwischen, als sie beim Kampf mit dem Conte angekommen war.
»Er trug eine Maske«, antwortete Nadja. »Eine weiße Vollgesichtsmaske.«
»Hu! Gruslig!«
»Ja.« Nadja atmete schwer. Dann
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