Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig - Schartz, S: Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig
weigerst, hole ich es mit Elfenzauber aus dir heraus. Ein bisschen Magie ist mir noch geblieben.« Er streichelte ihre Hände.
Nadja seufzte schwer. Dann gab sie sich einen Ruck. »Er wollte mich besitzen und dann töten«, sagte sie ruhig, mit normaler Stimme. »Es kam nicht dazu, weil er auf mein Angebot einging.«
»Er wollte dich verge…«
»Nein, Fabio, du verstehst nicht. Das ist es nicht, was mich quält. Dieser Unhold mag mich bis auf meine Seele entblößt haben, aber in sie eindringen kann er niemals. Dazu ist mein Wille zu stark, das weiß ich. Ich lasse mich nicht von ihm beherrschen.«
Fabio Oreso machte ein betroffenes Gesicht. Er hob die Hand, verharrte aber kurz vor ihrem Gesicht, als wagte er nicht, sie zu berühren. »Nadja, das tut mir …«
»Schwamm drüber, Papa. Wirklich. Ich lasse es gar nicht zu, zu viel darüber nachzudenken.«
»Was ist es dann?«
Endlich hob sie den Blick zu den Augen ihres Vaters, in denen sie Zärtlichkeit, Sorge und aufflackernde Wut sah. Zorn auf den Getreuen. »Ich
wollte
es«, gestand sie leise. »Mir war klar, dass es meinen Tod bedeutet, aber ich
verlangte
danach. Er wusste genau, was ich begehre.«
Fabios Adamsapfel bewegte sich mehrmals auf und ab, und ein Wangenmuskel zuckte. Seine goldbraunen Augen wurden von einem schwarzen Schleier überzogen. »Magie«, sagte er dann leicht gequetscht. »Das war nicht dein freier Wille.«
»Magie, ja. Ganz sicher, denn ich spürte seine Hand auf mir, obwohl sein Körper auf Distanz vor mir stand. Aber was die Beeinflussung meines Willens betrifft … dessen bin ich mir eben nicht sicher«, erwiderte Nadja. »Er hat mich nicht gequält, Papa, sondern im Gegenteil alles dazu getan, dass es mir gefällt. Es war keine … Gewalt.« Sie entzog dem Vater die Hände, stand auf und trat ans Fenster. »Ich weiß nicht, was für ein Geschöpf er ist. Aber es scheint so, als ob er die tiefsten Sehnsüchte eines anderen ganz genau erkennt und danach trachtet, sie zu erfüllen. So zerstörerisch und grausam er auch ist, sein Wesen ist nicht nur darauf beschränkt, andere leiden zu lassen.« Sie richtete den Blick auf den Abendhimmel draußen.
»Eins kann ich nicht begreifen: Der Getreue hatte überhaupt keinen Grund, auf das befristete Bündnis mit mir einzugehen. Wahrscheinlich hat er uns sogar absichtlich entkommen lassen. Ich glaube, der Getreue verfolgt ein Ziel, das nicht einmal Bandorchu kennt.«
»Du meinst, sein Plan geht über ihre Absichten hinaus?«
»Ja. Und irgendwie muss das mit mir zusammenhängen. Warum sonst ist er so an mir interessiert? Jeden anderen, der sich ihm in den Weg stellt, legt er einfach um. Aber mir droht er immer nur, spielt mit mir, und lässt mich letztendlich doch am Leben.«
Fabios Gesicht zeigte nun tiefe Besorgnis. Er stand auf und trat zu Nadja ans Fenster. »Was können wir tun?«
»Darauf warten, dass er sich offenbart. Eines Tages wird er es mir sagen. Bis dahin werde ich nichts unversucht lassen, um ihn aufzuhalten. Was auch immer er vorhat, ich werde es ihm nicht leicht machen.« Nadjas Stimme verfärbte sich plötzlich zu tief grollendem Hass. »Er wird es noch bereuen, sich mit den Menschen – und vor allem mit
mir
angelegt zu haben!«
Sie verbrachten ruhige und zurückgezogene Tage. Nadja hatte mit Robert telefoniert und ihm alles erzählt. Er war erleichtert, dass alles gut ausgegangen war; von sich selbst berichtete er allerdings nichts und war recht einsilbig. Ab und zu riefen Giorgio und Tom an, aber Nadja interessierte sich nicht mehr sonderlich für die Tramonto-Geschichte. Venedig wurde davon in Atem gehalten, und allmählich zog das Mysterium auch weitere Kreise. Die Polizei kam allerdings nicht vorbei und auch der Getreue schien Venedig verlassen zu haben. Der Kater blieb auf seinem Posten, hielt sich aber nun gern auf der Treppe vor der Tür auf und flirtete mit Passanten.
Die meiste Zeit verbrachte Nadja bei David. Sie pflegte die Striemen von den Eisenbändern und bewachte seinen Schlaf. Rian erholte sich schneller, aber David litt unter den Nachwirkungen der Gefangenschaft, und seine Kräfte kehrten nur sehr langsam wieder. Manchmal war er desorientiert und glaubte sich noch im Kerker. Es belastete ihn, eine Lücke in sich zu fühlen, die sich vermutlich nie wieder schloss. Immerhin konnte er essen, und er nahm auch wieder zu. Nach zwei Tagen fing er an, vorsichtige Übungen zu machen, um seine Muskeln wieder in Schwung zu bringen, doch er brauchte noch viele
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