Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig - Schartz, S: Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig
Auskünfte zu bekommen. Ein Glück, dass er nicht Pinocchio war, seine Nase wäre wahrscheinlich drei Meter lang geworden. Allerdings bogen sich die Fensterbalken durch, so dick trug er auf. Aber er war Profi, er fand heraus, dass David definitiv nirgends eingeliefert worden war. Niemand mit seinem Aussehen, um genau zu sein.
»Dafür aber gibt es einige komische Fälle, stell dir vor«, fügte er hinzu. »Da werden Leute eingeliefert, die von einer Sekunde zur anderen ins Wachkoma gefallen sind, mit glasigen Augen und … aber was ist denn, du wirst ja schon wieder blass?«
»Solche Fälle gab es auch in Paris«, stieß Nadja hervor. »Vor einigen Wochen, als ich dort war.« Sie biss sich zu spät auf die Lippen. Das ging Giorgio überhaupt nichts an, brachte ihn nur auf dumme Gedanken.
»Hat man herausgefunden, worum es sich dabei handelte?«
»Nein. Es gab einige Todesfälle, dann war es vorbei.«
»Also ein … Mörder?«
»Wie sollte ein Mensch das Wachkoma verursachen? Die Opfer siechen dahin und sterben, ohne dass eine Krankheit oder sonst ein äußerer Einfluss feststellbar ist.«
Fieberheiß schoss es durch ihren Kopf.
Großer Gott
, dachte Nadja,
der Junge gestern Abend, auf dem Rialto, den ich für betrunken hielt … es war derjenige, der abklatschen wollte … und mein Tänzer war … war …
Ihr wurde schlecht, und sie stürzte auf die Toilette, erwischte gerade noch die Schüssel und gab das ganze gute Frühstück von sich.
Giorgio hämmerte draußen gegen die Tür. »Nadja, alles in Ordnung?«
Sie drückte die Spülung und taumelte zum Waschbecken. »Ja«, brachte sie hervor, bevor sie erneut würgen musste. Aber nur kurz, dann war es vorbei. »Ich komme gleich.«
Sie spülte den Mund aus, wusch sich die Hände und trocknete sich ab. Den Blick in den Spiegel vermied sie. In aufrechter Haltung kehrte sie zu Giorgios Tisch zurück. »Ich weiß, du glaubst, dass ich was damit zu tun habe.«
Er musterte sie prüfend. »Nein«, widersprach er. »Aber du.«
Sie schüttelte den Kopf. »Das ist etwas anderes. Ich habe mich an etwas erinnert … also, da gab es mal einen Stalker.«
Wahnsinn
, sie verstrickte sich immer mehr und gab viel zu viel preis. Sie hätte nachdenken sollen, bevor sie drauflosplapperte! Warum sagte sie nicht einfach, dass es Nachwirkungen der vergangenen Nacht waren? Wieso war ihr ausgerechnet das mit dem Stalker herausgerutscht? Frustriert rieb sie sich die Stirn. Sie war völlig überreizt, das machte sie unberechenbar.
»Und du denkst, er ist hier?«
»Nein.«
»Und was hat David damit zu tun?«
»Nichts, er ist verschwunden. Ich glaube, dass er irgendwo gefangen gehalten wird.«
Giorgio hob die Hände. »Jetzt mal langsam, Nadja, und der Reihe nach.« Er zählte an den Fingern ab. »Erstens: Du bist nach Venedig gekommen, um nach deinem verschwundenen Freund David zu suchen. Zweitens: Ich erzähle dir, dass es mysteriöse Komafälle gibt, und dir wird schlecht. Drittens, du erzählst mir, dass du an einen Stalker erinnert wurdest, der dich angeblich nicht mehr verfolgt. Viertens behauptest du, David werde gefangen gehalten, aber nicht von deinem Stalker. Fünftens …«
»Hör auf«, bat Nadja. »Ich weiß, wie merkwürdig das klingt. Und es wird noch seltsamer, denn ich will außerdem wissen, ob es in Venedig jemals einen Goldmacher gab.« Es platzte einfach aus ihr heraus, nun war ohnehin alles egal.
»Nadja, du machst mir Angst. Wie eine Eso-Tussi siehst du doch gar nicht aus.« Giorgios unerschütterlich gute Laune schien dahin.
»Bin ich auch nicht.« Die junge Frau sah ihn flehend an. »Ich brauche deine Hilfe, Giorgio.«
»Dann erzähl mir was.« Giorgio stand auf und griff nach seiner Jacke. »Gehen wir eine Kleinigkeit essen, sonst klappst du mir noch zusammen.«
»Ich habe gut gefrühstückt …«
»Was du soeben den Lokus runtergespült hast, schon vergessen? Komm schon.« Er packte Nadja am Arm und zog sie mit sich.
In einer kleinen Nebengasse gab es ein winziges Restaurant, das bereits geöffnet hatte und
cicheti
und
tramezzini
anbot, lauter kleine Leckereien mit Röstbrot, Tomate, Salami und dergleichen mehr. Nadja hatte tatsächlich wieder Hunger und entschloss sich, das Risiko einzugehen, dass auch dieses Essen nicht lange bei ihr blieb. Sie legte sich eine Geschichte zurecht, die sie Giorgio auftischen konnte, ohne dass sie allzu viel verriet, und die er ihr trotzdem glaubte.
»David ist unter komische Leute geraten«, begann sie. »So eine
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