Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig - Schartz, S: Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig
war das Schattenland.«
»Hu! Dann wirf das Ding weg!«
»Nein, Pirx. Alles fügt sich zusammen. Die Gegenseite will uns aufhalten – aber ein paar sind auch auf unserer Seite und geben uns Unterstützung durch solche Dinge. Wahrscheinlich hat sich eure Suche inzwischen herumgesprochen, und so tut jeder das Seine dazu.«
Giorgio hatte gestern mit seiner Ahnung über den Wetterumschwung recht gehabt – draußen herrschte dichter Nebel. Die Sicht reichte nur ein paar Meter weit, gerade mal über einen schmalen Kanal. Doch schon die Hausdächer dahinter waren im Dunst aufgelöst. Es war kühl und klamm, und Nebelschwaden waberten übers Wasser, schienen an Land zu kriechen und sich mit kalt tastenden Fingern auszubreiten. Venedig war grau, das Wasser wie Blei. Nur wenige Leute waren unterwegs; kein Wunder, denn es war Samstagmorgen, und da genoss man bei diesem ungemütlichen Wetter lieber daheim ein ausgedehntes Frühstück, bevor man die notwendigsten Besorgungen unternahm.
Wenigstens war Nadja heute richtig angezogen, und sie schritt schnell aus. Den Weg hätte sie auch mit geschlossenen Augen gefunden. Unterwegs zur Redaktion rief sie Robert an und erstattete ihm Bericht.
»Ich muss kommen«, sagte er betroffen. »Schließlich hat Rian mir das Cairdeas gegeben, und …«
»Du kannst nichts tun, Robert. Konzentriere dich auf deine Arbeit.«
»Aber wenn …«
»Wird es nicht!« Nadjas Stimme klang ein wenig schrill. »Wir holen David da raus. Und sag Anne nichts davon!«
»Natürlich nicht. So vertraut sind wir nun auch nicht miteinander. Also gut. Aber halte mich auf dem Laufenden!«
Die Redaktion lag im ersten Stock. Nadja fragte sich, wer lauter ächzte – die altersschwache Treppe, oder sie mit ihrem Katzenjammer. Giorgio war natürlich noch nicht da, als Nadja außer Atem kurz vor neun im Büro eintraf.
Die Redaktion hatte die ganze Etage inne. Bis auf wenige Ausnahmen waren die Zwischenwände herausgenommen worden, und so reihten sich Schreibtische hintereinander, die mit PCs ausgestattet und mit Bergen von Papier bedeckt waren. Überall standen Kartons, in denen sich Zeitschriften und Magazine stapelten, die Wände hingen voller Kalender, Notizen, Zeitungsausschnitte, Cartoons und Arbeitsanweisungen. Es roch nach ausgedünsteten Gedanken, kaltem Rauch und wurmstichigem Holz. Vor allem aber nach Papier, wie Nadja scherzhaft fand.
Zwei verschlafene Kollegen waren anwesend, der eine beim Kaffeekochen, der andere beim Kopieren. Nach kurzem Misstrauen tauten sie schnell auf und es entwickelte sich eine fröhliche Unterhaltung, bis Giorgio kurz darauf eintraf. Eine Jammergestalt, blass und völlig übernächtigt, aber in ungebrochen guter Laune.
»Hast du denn Zeit für mich?«, fragte Nadja. »Du musst doch sicher noch deinen Bericht schreiben …«
»Ist schon so gut wie fertig«, wiegelte er ab. »Gib mir eine halbe Stunde, und dann widme ich mich ganz dir.«
Nadja durfte die Wartezeit nutzen und sich an einen PC setzen. Sie zog ihr Notizbuch von gestern aus der Tasche und fing an, einen ersten Text zu schreiben, den sie zusammen mit den von der Kamera heruntergeladenen Fotos auf einem USB-Stick speicherte.
»Immer fleißig«, schmunzelte Giorgio, als er seine Arbeit beendete, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Du bist sehr hübsch, Nadja, selbst wenn du so miserabel aussiehst wie jetzt.«
»Das Kompliment kann ich leider nicht zurückgeben«, versetzte Nadja. »Du siehst einfach nur miserabel aus.«
Giorgio lachte schallend. »Dein Freund«, kam er dann aufs Thema. »Was ist mit ihm?«
»David ist verschwunden.«
»Ah. Könnte er sich einfach …«
»Davongemacht haben? Nein. Ganz sicher nicht. Das musst du mir glauben.«
»Hattet ihr Streit?«
Nadja hob abwehrend die Hände. »Du missverstehst da etwas, Giorgio. Ich bin mit seiner ausländischen Familie hier. Seine Zwillingsschwester vermisst ihn am meisten. Aber sie kann ihn nicht suchen, weil sie krank ist.«
»Dann ist er es vielleicht auch«, überlegte Giorgio. »Bei Zwillingen trifft das zu einem hohen Prozentsatz zu. Wir sollten die Krankenhäuser anrufen.«
»Das hat doch keinen Sinn, Giorgio, wenn er unter anderem Namen oder als John Doe, als Unbekannter da drin liegt. Ich kann nicht jedes einzelne Zimmer abklappern.«
»Cara, irgendwo müssen wir anfangen. Gib mir ein paar Stichpunkte, ich mach das schon.«
Nadja erzählte ihm, soviel sie konnte, und hörte gebannt zu, wie Giorgio es schaffte,
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