Elfenzeit 5: Schatten des Totenreiches - Schartz, S: Elfenzeit 5: Schatten des Totenreiches
sie ihn, zog die Hand aber sofort wieder zurück. War eine solche Vertraulichkeit zwischen ihnen angebracht? Wie würde es jetzt weitergehen? Sie wagte es nicht, die Frage laut zu stellen. Unbehagliche Stille breitete sich zwischen ihnen aus.
»Ich weiß nicht, ob ich momentan bereit bin, die Seele weiter wachsen zu lassen«, sagte David schließlich. »Wohl eher nicht. Ich muss noch viel lernen und verstehe erst so wenig.«
»Es ist ja meine Schuld«, stieß Nadja hervor und wischte eine Träne weg, die sich in ihren Augenwinkel gestohlen hatte. »Jede moderne Frau in meinem Alter nimmt Verhütungsmittel. Aber weißt du, ich ... ich habe nie welche genommen und bin nie schwanger geworden ... Ich dachte, ich könnte keine Kinder bekommen. Eine ziemlich blöde und naive Vorstellung, was?«
»Was geschehen ist, war dennoch ein kleines Wunder«, sagte David. »Wir Elfen bekommen schon seit Jahrhunderten kaum mehr Nachkommen. Deshalb sind alle so überbesorgt um Rian und mich – wir sind Fanmórs Kinder
und
zudem Zwillinge. Deine Schwangerschaft bewegt meinen Vater sehr, auch wenn er es sich nicht anmerken lässt.«
»Er hasst mich.«
»Natürlich. Fanmór hasst jeden.« David atmete tief aus. »Er hat Angst, Nadja, vor jeder Veränderung, vor allem Fremden. Sieh doch, was mit uns geschieht. Wir sind sterblich geworden, vermehren uns kaum, und wir können unseren Verfall bisher nicht aufhalten. Alles bricht auseinander, und er muss hilflos zusehen – er, der zu den Mächtigsten gehört. Je weiter alles auseinanderdriftet, desto mehr versucht er mit Strenge, alles zusammenzuhalten. Und umso mehr seiner Untertanen entgleiten ihm. Wenn du mich fragst, sind seine Tage gezählt. Nicht nur die seines Lebens, sondern auch die als Herrscher.«
»Bandorchu«, flüsterte sie, und Kälte floss durch ihre Adern.
»Ja, wahrscheinlich. Sie ist stark und hat den Getreuen sowie alle, die ins Schattenland verbannt wurden, auf ihrer Seite. Es sieht schlecht aus für uns.« David ergriff ihre Hände. »Umso mehr schenkt uns dieses Wunder Hoffnung, Nadja.«
»Aber ich weiß doch nicht«, sagte sie dünn, »wer von euch der Vater ist. Alles in mir sagt, dass du es bist, David, weil mich allein schon der Gedanke an Darby zum Kotzen bringt. Ich
will
, dass es dein Kind ist, mehr als alles andere!«
»Es ist ein Elfenkind«, erwiderte er sanft, zog ihre Hände näher zu sich und sah sie lächelnd an. »Alles Weitere spielt keine Rolle. Ich werde nicht zulassen, dass Alebin zwischen uns steht. Ich glaube dir, was du mir erzählt hast, und ich habe kein Recht, dir Vorwürfe zu machen. Es geschah vorher, vor uns, und ich habe schließlich auch ... Na ja. Elfen sind eben so.«
»Ich trage trotzdem schwer daran ...«
»Das ist nicht wichtig. Eines nicht so fernen Tages werden wir es wissen. Und selbst dann wird es keinen Unterschied machen. Achte auf meine Worte: Es ist ein Elfenkind. Das ist alles, was zählt.«
Sie weinte jetzt. Er nahm sie in die Arme und tröstete sie, während sie still den Tränen freien Lauf ließ. Es war Zeit dafür, endlich.
Pirx riss unangemeldet die Tür auf und ließ die beiden ungleichen Partner erschrocken auseinanderfahren. Der Pixie stürmte herein, hielt kurz inne und bedeckte hastig die Augen mit den Fingern. »Seid ihr angezogen? Oder macht ihr irgendwas Unanständiges?«
»Was ist los, Pirx?«, fragte David ungehalten.
Nadja wischte über ihr Gesicht und setzte sich aufrecht hin.
»Das glaubt ihr nie! Ihr müsst sofort in die Küche kommen, schnell, schnell!«
»Aber was ...«
»Frag nicht lang, schau selbst!« Ohne ein weiteres Wort der Erklärung eilte Pirx wieder hinaus.
Nadja und David folgten ihm verwundert und leicht verärgert. Als sie in die Küche kamen, vergaßen sie ihren Zorn jedoch. Rian und Grog saßen am Tisch und beugten sich zu einem kleinen Vogel hinunter, der auf der Platte gelandet zu sein schien.
Die Prinzessin wandte ihnen den Kopf zu, ihre violetten Augen strahlten. »Das ist Tiliu«, erklärte sie. »Einer von meinen Vögeln!«
Staunend betrachtete Nadja den kleinen Gast aus der Anderswelt. Ein zierlicher Singvogel, kaum größer als eine Handfläche, mit grünblau schillerndem Federkleid und gelbem Schnabel. Er hüpfte auf dem Tisch herum, pickte nach ausgestreuten Kekskrümeln und zwitscherte.
»Aber wie kommt er hierher?«, fragte Nadja verdattert.
»Er wurde geschickt«, antwortete Grog. »Jemand hat ihn mit einem Schutz umgeben und auf die gefährliche Reise
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