Elfenzeit 5: Schatten des Totenreiches - Schartz, S: Elfenzeit 5: Schatten des Totenreiches
der Verbannung meines Vaters.«
Damit hatte niemand gerechnet. Pirx duckte sich unwillkürlich, und auch die Zwillinge wurden blass. Der Grogoch verlor wieder ein paar Haare.
»Das ist ...«, begann Fanmór, doch Nadja ließ ihn nicht weiterreden.
Sie fiel auf die Knie und breitete die Arme aus. Es war ihr ein bisschen peinlich, so theatralisch zu sein, aber vermutlich war es das Einzige, was diesen Uralten, der starr an Traditionen und Althergebrachtem festhielt, irgendwie rühren konnte. Immerhin befand sie sich in einem archaischen Reich mit übertriebenen Verhaltensregeln und Umgangsformen.
»Herr«, sagte sie inständig, aus der Tiefe ihrer Seele, »das ist alles, was ich mir wünsche. Mein Vater hat genug gelitten. Gebt ihn frei, ich bitte Euch. Trotz all dem, was geschehen ist, steht er immer noch treu zu seinem Volk und auch zu Euch. Er hat in Ehre gelebt. Ich flehe Euch an, erfüllt meinen Wunsch. Es steht in Eurer Macht, das weiß ich, und doch werde ich es nicht von Euch verlangen. Ich bettle vielmehr darum, demütig und in Hoffnung auf Eure Gnade.« Sie hoffte, dass sie nicht zu dick aufgetragen hatte. Doch die Essenz blieb: Nichts anderes wollte sie von ihm.
Fanmór rieb sich das Kinn und überlegte. Lange. Nadja regte sich nicht, obwohl ihr die Knie wehtaten und sich ein Muskelkrampf im rechten Oberschenkel ankündigte. Jetzt oder nie, sie hatte alles auf eine Karte gesetzt.
»Vater!«, sagte Rian vorwurfsvoll, als der Hochkönig weiterhin schwieg.
Da gab er sich endlich einen Ruck. »Nun gut, so soll es sein. Dein Vater ist frei, der Bann über deine gesamte Familie, einschließlich dir, ist aufgehoben. Aber
er
darf nicht mehr in mein Reich zurückkehren.«
Nadja war so erleichtert, dass sie am liebsten laut geschrien hätte. Mühsam kämpfte sie sich hoch. »Das ist ein Wort, hoher König«, sagte sie dankbar. »Er hat ohnehin den Weg der Menschen gewählt, und damit ist er auch zufrieden. Er wird Euch nicht belästigen. Hauptsache, er ist endlich frei und muss sich nicht mehr verstecken ... vor niemandem.«
»Eine Frage habe ich noch«, sagte Fanmór. »Ist deine Mutter tatsächlich gestorben damals?«
»So sagte es mir mein Vater«, antwortete Nadja. »Für beide Welten ist sie jedenfalls tot und auch nicht in Annuyn zu finden.«
Sein glimmender Blick war von Misstrauen durchsetzt, aber er hakte nicht weiter nach. »Damit ist das geklärt«, sagte der Hochkönig mit grollender Stimme. »Du bist ein sehr raffiniertes Wesen, Nadja Oreso, und kommst ganz nach deinem Vater. Ich hoffe, dich nicht so schnell wiederzusehen.«
Das war ein echtes Kompliment. Zum ersten Mal hatte er sie beim Namen genannt. Vielleicht gab es doch noch etwas, das den alten Starrkopf beeindrucken konnte.
»Mit Eurer Erlaubnis werden wir uns jetzt zurückziehen«, sagte Rian und verneigte sich leicht.
»Ihr könnt gehen.« Fanmór nickte, und die Freunde machten, dass sie wegkamen. Es gab viel zu erzählen.
Nachdem Nadja einen weiteren Berg an Speisen vertilgt und alles berichtet hatte, wollte sie endlich nach Hause. Die Elfen draußen feierten, was das Zeug hielt, Musik und Gelächter drangen herauf, doch sie wollte nicht an dem Fest zu ihren Ehren teilhaben.
Die Zwillinge und die beiden Kobolde auch nicht. Sie kamen überein, dass sie alle zusammen wieder nach München gehen sollten. Noch einmal suchten sie den Hochkönig auf, auf einen langen Streit gefasst. Aber Fanmór wirkte müde, traurig und leicht abwesend.
»Ich konnte euch das letzte Mal nicht hindern. Wieso sollte es nun anders sein?«, erklärte er. »Ihr habt meine Erlaubnis unter der Bedingung, dass ihr regelmäßig Bericht erstattet und nicht mehr Risiken als unbedingt notwendig eingeht.«
Damit gab es keinen Grund mehr, den Aufbruch aufzuschieben. Vor allem Rian wollte wieder zurück, sie steckte voller Energie.
Genau wie das letzte Mal schlichen sie sich heimlich davon, während das Fest in vollem Gange war. Sie fanden das Portal mühelos, da sich ihnen kein Alebin in den Weg stellte.
Wie geplant kamen die Freunde direkt am Brunnen heraus. In München schien die Sonne, es war früher Vormittag und der Gärtnerplatz noch recht verschlafen, abgesehen vom Autoverkehr. Sie begegneten niemandem und erreichten schließlich Nadjas Wohnung. Während sie die Treppen zur Tür hinaufstiegen, kramte die junge Frau ihre Schlüssel hervor. Sie hatte sie bei ihrem Aufbruch aus einer Art von Aberglauben eingesteckt – als ein Zeichen dafür, dass sie sie
Weitere Kostenlose Bücher