Elfenzeit 5: Schatten des Totenreiches - Schartz, S: Elfenzeit 5: Schatten des Totenreiches
eine feine Ader, die erst vor wenigen Jahrhunderten entstanden war, aber sie genügte für Fabios Zwecke. Nur wegen ihr war das Haus einst hier gebaut worden und hatte die Jahrhunderte überdauert. Ein Stützpunkt zwischen den Welten. Fabio, der alte Elf, hatte sehr weit, sehr lange vorausgeplant.
Aber was nützte das, wenn am Ende doch alles zusammenbrach ...
Reiß dich am Riemen, Mann
, ermahnte er sich selbst.
Ein, zwei Dinge hast du in deinem langen Leben gelernt, die dir auch als Mensch nützlich sein können. Konzentriere dich auf die Kraft und nutze sie, um an Informationen heranzukommen
.
Fabio ballte die Hände und streckte die Arme nach vorne, die Innenseiten nach oben gedreht. Sämtliche Muskeln waren angespannt, als Fabios Geist nach den Leys tastete und anfing, sie anzuzapfen. Schon bald schlugen Blitze aus dem Boden in seine Fäuste, doch er hielt ihrer Wucht stand. Sie zuckten um ihn, und er bannte sie mit seinem Geist, bis er die Kontrolle über sie hatte. Dann öffnete er langsam die Hände und führte sie näher zusammen. Die Blitze züngelten nach oben, verästelten sich und suchten zueinander Kontakt. Ein kleines Fenster entstand zwischen ihnen, in dem verschwommene Bilder auftauchten.
Fabio bot all seine Kraft dafür auf. In Strömen rann der Schweiß von seiner Stirn. Die Adern an den Schläfen, am Hals und den Oberarmen traten hervor, Muskeln verkrampften sich. Nach dieser Anstrengung würde er einige Tage Ruhe brauchen, aber das war es wert.
Musste
es wert sein. Und da Fanmór inzwischen Bescheid wusste, brauchte sich Fabio vor einer Entdeckung nicht mehr zu fürchten. Nun konnte er sich offen zeigen. Er hatte ohnehin keine Chance, dem Riesen noch zu entkommen, also blieb ihm nur diese eine Aufgabe: Er musste Nadja in Sicherheit bringen, so schnell wie möglich! Danach konnte passieren, was wolle. Fabio würde sich fügen, nach der langen Zeit gab es keine Hoffnung mehr.
Die Leys pochten unter seinen Füßen im Rhythmus mit seinem Herzschlag. Sein menschlicher Körper konnte das nicht lange ertragen. Wenn er so weitermachte, würde er bald keine Erholung mehr brauchen, sondern wahrscheinlich einen Sarg. Immerhin hatte er die Lebensmitte längst überschritten, und diese Wege waren selbst für einen jungen, unsterblichen Elfen gefährlich. Fabio wusste das genau, er beschritt sie nicht zum ersten Mal.
Zeigt es mir, alles
, dachte er angestrengt. Die Bilder wechselten rasend schnell und waren völlig konfus und verschwommen, doch er hatte gelernt, sie zu lesen. Sein ganz persönlicher »Elfenkanal«, der ihn noch nie im Stich gelassen hatte.
So auch jetzt. Er sah, was er wissen musste. Glühende Knotenpunkte, denen sich ein riesiger Schatten näherte. Und der ...
Der sich ihm plötzlich zuwandte!
Fabio hätte die Verbindung vor Schrecken beinahe unterbrochen, als er die Stimme in seinem Geist hallen hörte:
Ich kann dich sehen, Narr. Deine Tage sind gezählt
.
Die Zähne des Mannes klapperten in plötzlicher Eiseskälte, doch sein Verstand blieb kühl. Er durfte sich davon nicht beeindrucken lassen – dies war nur ein Wächterschatten. Einer von vielen, die der Getreue vermutlich überall gesetzt hatte, um Neugierige zu erschrecken. Ein elfischer Anrufbeantworter sozusagen, der automatisch aktiv wurde, sobald sich jemand »per Elfenkanal« umsah, und der unerbetene Verfolger abwimmeln sollte.
Er verfehlte seine Wirkung auch auf Fabio nicht, der sich sofort einer anderen Richtung zuwandte. Fieberhaft kreisten seine Gedanken.
War der Getreue tatsächlich zu weiteren Knotenpunkten unterwegs? Es musste so sein, er befand sich also bereits nicht mehr im Schattenland ...
Fabio wandte sich abermals den Leys zu. Nur ein schneller Blick, bevor der Wächterschatten wieder aktiv wurde.
Zeig es mir, verdammt! Wo ist der Bastard? Welche Punkte will er besetzen?
Er spürte, wie ihn die Kräfte zusehends verließen, und suchte umso hektischer. Die Bilder rasten jetzt mit hoher Geschwindigkeit vorbei, und er suchte Anhaltspunkte, irgendetwas, das ...
Dann sah er plötzlich Nadja ... und ...
Und ...
Der Schock riss Fabio beinahe von den Beinen, die Verbindung brach augenblicklich zusammen. Die Blitze verpufften mit einem Knall, und Rauchspuren stiegen auf. Die Trennung geschah keinen Moment zu früh, beinahe hätte Fabio sich verloren. Hustend taumelte er zu seinem Sessel und ließ sich hineinfallen. Einige Minuten lang wurde sein menschlicher Körper wie von Schüttelfrost umhergeschleudert.
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