Elfenzeit 5: Schatten des Totenreiches - Schartz, S: Elfenzeit 5: Schatten des Totenreiches
Das Haus ist niedlich, nicht? Völlig einsam, und doch ist der nächste Ort zu Fuß erreichbar. Nachts kann ich manchmal Nixen auf den Wellen reiten sehen. Zumindest im Traum. Anne macht sich immer darüber lustig, wenn ich sie meine Glücksfee nenne. Sie ist mit dieser Insel tief verwurzelt, richtiggehend aufgeblüht, seit sie wieder hier ist, und auch mit mir geht es stetig bergauf. Anne ist das Beste, was mir je passieren konnte. Und jetzt muss ich wirklich aufhören. Ich umarme dich, bis bald.«
Weg war er. Nadja legte das Telefon auf den Tisch und starrte auf das Foto. Ja, Robert sah aus wie das blühende Leben. Trotzdem stimmte etwas nicht. War es die Frau? Diese beunruhigenden, tief liegenden Augen? Sie sah mit diesen leicht hochgezogenen Mundwinkeln so selbstbewusst aus, als betrachtete sie Robert als ihren Besitz. Der Ausdruck einer Herrscherin lag auf ihrem Gesicht, als hätte sie ihn bewusst in die Kameralinse geschickt. Fast wie eine ... Warnung.
Nadja hatte eine Miene wie diese schon öfter gesehen, als ihr lieb war. Bei Menschen, die mächtig waren und nach Macht verlangten. Aber was wollte Anne dann von Robert? Weshalb beflügelte sie ihn zu diesen Höhen? Gewiss, ein Bestsellerautor konnte reich werden, aber mächtig?
Wer ist sie?
, dachte Nadja.
Robert hat es nie erzählt, aber vielleicht weiß er es gar nicht. Vermutlich hat sie es ihm nicht preisgegeben. Und er will sich keine Illusion zerstören und schon gar nicht ihr Vertrauen, indem er hinter ihr herschnüffelt. Er ist verliebt und will nicht sehen, dass diese ganze Geschichte faul ist. Sein journalistischer Blick ist getrübt. Aber meiner nicht
.
Nadjas Instinkte waren geweckt, auf der Stelle vergaß sie sämtliches Selbstmitleid. Je länger sie das Foto anschaute, desto unheimlicher wurde ihr zumute. Nun hatte sie ein Ziel: herauszufinden, wer Anne Lanschie war. Einige Anhaltspunkte boten sich ihr an. Sie hatte ein Foto und kannte Annes Heimatort, die Isle of Man, die nicht besonders groß war. Damit sollte sich etwas anfangen lassen. Robert musste es ja nicht erfahren; vielmehr, er
durfte
es nicht erfahren. Nadja wusste, dass sie die Freundschaft aufs Spiel setzte, aber nach all den Fährnissen der vergangenen Monate wollte sie sichergehen, dass ihrem Freund keine Gefahr drohte.
Das Telefon lag auf dem Boden, die kraftlose Hand des Bewusstlosen hing über der Lehne. Zusammengesunken lag Fabio Oreso im Sessel, sein Atem ging flach. Der Nachmittag draußen neigte sich dem Ende zu, der Regen hatte aufgehört, und ein paar letzte Sonnenstrahlen tauchten die Umgebung in ein gespenstisches Licht.
Der Bewusstlose bemerkte nicht, wie ein Schatten ins Zimmer fiel und Kälte sich ausbreitete. Sein Körper fing an zu frieren und zu zittern, doch sein Geist kam nicht zu sich.
Der Schatten verdichtete sich langsam; ein Arm bildete sich aus, eine Hand, die sich nach dem Sessel mit dem Bewusstlosen darin ausstreckte. Doch dann leuchtete etwas kurzzeitig auf, wie eine schimmernde gläserne Glocke, die sich um Fabio legte und gleich darauf nicht mehr sichtbar war. Die Schattenhand prallte daran ab und löste sich auf. Kurz darauf waren Schatten und Kälte wieder verschwunden.
Ein Mann mit Perücke und Rokokokleidung trat aus der Wand und sah sich vorsichtig um. »Ist die Luft rein?«
Er fuhr zusammen, als noch jemand erschien, mit einem schnellen Schritt und finsterer Miene.
»Meiner Treu, lieber Freund, wie können Sie mich so erschrecken? Sie wirken fast so gespenstisch wie dieser schwarze Geselle, dem ich nie wieder begegnen will!«, schimpfte Casanova und griff sich an die Kehle, um die sich die Hand des Getreuen einst schmerzhaft geschlossen hatte.
»Ich
bin
ein Gespenst, genau wie Sie, mein Bester«, erwiderte Byron und trat, auf den Stock gestützt, zu dem Sessel.
Casanova blieb hinter ihm. »Und wie steht es um den Herrn des Hauses?«, fragte er zaghaft.
»Er lebt,
noch
«, antwortete Byron. »Das war knapp, alter Freund.«
»Hu!« Casanova trat hastig neben den Lord und blickte auf den Bewusstlosen hinab. »Wird
er
herausfinden, was wir getan haben?«, flüsterte er.
»Noch wissen wir nicht, ob
er
es wirklich war, der sich hier Zugang verschaffen wollte. Alle wissen es jetzt, dass der Vogelfreie hier ist. Wir müssen unsere ganzen Kräfte aufbieten, um ihn zu schützen.«
»Wir werden es bereuen, nicht wahr?«
»Wir haben uns entschieden, mein Lieber, jetzt gibt es kein Zurück mehr.«
Casanovas Geisterfinger glitten zärtlich
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