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Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele

Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele

Titel: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Mädchen. Sie balancierten Krüge mit Wasser auf ihren Köpfen. In ihren Armen trugen sie Tücher und Tiegel, in denen sich ein grüngelber, zerstoßener Brei befand. Medizin wahrscheinlich.
    Alles ringsum verstummte, selbst die brennenden Schweine schienen innezuhalten. Immer mehr Mädchen traten auf den kleinen Vorplatz zwischen den Häusern und der Stadtmauer. Zwölf- bis Fünfzehnjährige, Halbwüchsige, die sich allmählich ihres Frauseins bewusst wurden. Sie waren in einfache Tücher gehüllt und hatten die langen Haare zu Zöpfen geflochten. Inmitten all dieser Not und des Elends wirkten sie wie Göttinnen.
    Ihr Gesang gewann an Stärke, an Kraft. Er hallte von den Mauern wider, wurde von den Kindern und den Alten aufgenommen, fand zu noch mehr ... Größe. Trotz meiner Begabung, die Sprachen dieser Welt intuitiv zu begreifen, verstand ich kein Wort. Offenbar handelte es sich um eine sinnentleerte Ritussprache – und doch packte sie mich. Sie erzeugte ein seltsames Prickeln in meinem Inneren, ließ mich die Verzweiflung und die Bitterkeit über meine Verbannung vergessen.
    Ich hörte mich mitsingen. Fühlte brennende Flüssigkeit auf meiner Wange. Genoss dieses dumpf pochende Gefühl in meiner Brust.
    Dies war der Moment, da meine Seele zu knospen begann.
    Es war Nacht geworden. Die allumfassende Dunkelheit wirkte erschreckend auf mich, ebenso die große Anzahl an Sternen, die das Firmament beherrschten. Ich war froh, dass andere Lebewesen rings um mich waren, auch wenn es sich nur um Menschen handelte.
    Die verbliebenen Numantier hatten sich auf dem Marktplatz der Stadt versammelt, um ihr Überleben und den siegreichen Ausgang der Schlacht zu feiern. Die Schweine, die den ganzen Nachmittag erbärmlich geschrien hatten, drehten sich nun auf Spießen. Ihr Fett tropfte zischend in die Flammen.
    »Wir sind Avaker«, verkündete eine alte Schamanin. Sie stolzierte um das hoch lodernde Feuer, das die Nacht erhellte, und rollte wie verrückt mit den Augen. »Wir sind ein altes Volk von Bastarden. In unserem Blut finden sich die Erinnerungen der Ibarra, die Tränen der Celtos, der Kampfesmut der Lusitanes und der wilde Geist der Arvanen. Unsere Vorfahren kamen aus allen Himmelsrichtungen. Irgendwer ist irgendwohin gezogen, hat die örtlichen Sitten angenommen und Blut mit Blut vermischt.«
    Sie krächzte und kicherte, dann trafen ihre Blicke mich. Ich saß neben Coecho, nahe dem numantischen Anführer namens Pieva, den man mir vor Kurzem vorgestellt hatte.
    »Stets duldeten wir fremde Gesetze. Fremde Religionen. Fremde Lebensarten. Und wir erwarteten, dass uns dieselben Rechte zugestanden werden. Die Großväter der Großväter unserer Großväter besiedelten dieses karge Land. Sie rangen dem Boden das Lebensnotwendige ab und schufen aus dem Nichts eine prächtige Stadt, die in einem Umkreis von zehn Tagesmärschen ihresgleichen sucht.«
    Sie zog ihren zerfetzten Rock hoch. Von Wundschorf verunstaltete Beine kamen zum Vorschein. Mit Kraft und Geschicklichkeit, die ich der Schamanin niemals zugetraut hätte, sprang sie über die Ausläufer des großen Feuers und blieb inmitten eines Haufens glühender Holzkohle stehen. Stocksteif, ohne Schmerz zu zeigen, während sich allmählich der süßliche Geruch brennenden Fleisches verbreitete.
    Die Alte streckte die Arme in den wolkenlosen Himmel. »Unsere Götter standen uns stets bei. Taranis, Gott des Himmels. Borvo, der uns Licht und Heilung bringt. Esur, der den Handel mit den Nachbarn begünstigt und die Wege sichert. Die Lugoves, die kunstsinnigen Götter des Handwerks. Sucellus, der uns den Reichtum des Waldes schenkt und dafür sorgt, dass unsere Frauen niemals ihre Fruchtbarkeit verlieren. Neto, der Krieger, der uns die Stärke in unseren Armen gibt und das Glück der Schlacht zu unseren Gunsten dreht. Nicht zuletzt Adaegina, die Göttin der Unterwelt, die uns nach jedem harten Winter einen neuen Frühling schenkt. Sie halfen uns, alle Mühsale zu überstehen. Damit wir unser Leben nach ihrem Willen gestalteten.«
    Endlich verließ sie den Kohlehaufen und kam wieder auf den Stammeshäuptling und mich zu. Ihre Fußsohlen waren verbrannt; rohes Fleisch zeigte sich, doch die Schamanin schien nichts zu spüren.
    »Dann erschienen die Römer. Sie nahmen sich, was sie wollten. Wie eine Plage überzogen sie das Land und eroberten um der Eroberung willen. Nicht, um Land urbar zu machen, sondern um sich Beherrscher nennen zu dürfen.«
    Unruhe wurde im Lager laut. Die

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