Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele

Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele

Titel: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
Vom Netzwerk:
in rasantem Tempo. Ich fühlte Wärme, wie ich sie niemals zuvor empfunden hatte. Sie machte sich zuallererst im Brustbereich bemerkbar, und sie hinterließ dort
irgendetwas
.
    »Sieh hin«, sagte Pieva. Der alte Mann, in dem nicht einmal mehr ein Rest von Elfenblut erkennbar war, legte eine ausgedörrte Hand auf meine Schulter. »Ich erinnere mich gut an meinen ersten Sonnenaufgang. Es war ein Erlebnis, das ich niemals vergessen habe.«
    Ich folgte dem Stammeshäuptling und blickte in Richtung der Sonne.
    Es ging nicht. Das Licht war zu stark. Es stach durch mich hindurch. Dieser Glutballen war von einer erschreckenden Stärke, aber ich spürte seine Wärme auf meinem Körper.
    Ich konnte nicht anders, ich musste mir die Kleider vom Leib reißen. Ich war zum Kind dieser Welt geworden, und ich öffnete mich ihr wie der Blütenkelch einer Blume.
    Numantia hatte knapp über zweitausend Einwohner, und täglich wurden es mehr. Ständig mussten Zubauten errichtet und die Stadtmauern erweitert werden. Wir galten als »der Stamm, der den Römern widerstanden hatte«, und unser Ruhm sprach sich mit der Geschwindigkeit reisender Händler im ganzen Land herum.
    Wir erfuhren, dass der römische Konsul Quintus Fulvius Nobilior für sein Versagen in der Schlacht um Numantia schwer bestraft worden war. Ein Nachfolger wurde bestimmt, und wir mussten damit rechnen, dass er die Entscheidung um die Vorherrschaft in diesem Landstrich noch konsequenter und noch erbarmungsloser herbeiführen würde.
    Wir?
    Es fiel mir schwer, mich unter den Menschen zurechtzufinden. Den Großteil ihrer Riten und Lebensweisen fand ich abscheulich, und sie forderten mich oftmals bis an die Grenzen meiner Belastbarkeit.
    Aber es gab kleine Momente, die für alles entschädigten. Wenn es mir zum Beispiel erlaubt wurde, ein Neugeborenes in Händen zu halten und die Liebe zu spüren, die ihm von allen Seiten entgegengebracht wurde. Oder wenn ich diese ganz besondere Treue zwischen Frau und Mann fühlte. Wenn Kinder miteinander spielten und Traumwelten erfanden, die von weitaus größerer Schönheit waren als jene der Elfen.
    Manchmal fehlten mir die Worte, die Begrifflichkeiten, um zu verstehen, warum ich die Menschen allmählich lieb gewann. Sie rührten etwas in mir. Ohne dass ich bemerkte, wie es geschah, verlor ich jene Überheblichkeit, die uns Elfen zu eigen ist. Und immer noch fühlte ich etwas in mir wachsen, ohne zu wissen, was da tatsächlich entstand ...
    Der Bastard Pieva war mir eine große Hilfe. Er erklärte mir, was mit mir vorging. Er berichtete aus seinem eigenen Erfahrungsschatz und bereitete mich auf Überraschungen vor, mit denen ich niemals gerechnet hatte.
    Wann hat man schon gehört, dass ein Bewohner der Elfenwelt aus Freude weint? Oder dass mit dem Schmerz der Geburt die größte Freude verbunden ist, die eine Frau jemals erleben wird? Dass es Freundschaften gibt, die jedes Ränkespiel und jede Krise überstehen? Ich erinnerte mich an Laetico und dachte intensiv über unser Verhältnis nach. Doch mein Bedürfnis, irgendwann in die Heimat zurückzukehren, schwand mit jedem Tag.
    Wochen vergingen, dann Monate. Man begegnete mir mit freundlicher Hochachtung, denn die Numantier wussten, woher ich stammte. Ich war eine Gestalt aus einem legendenumwobenen Reich, dessen Tore sich nur noch selten öffneten. Die Hohe Zeit, während der Elfen und Menschen gleichberechtigt zusammengearbeitet hatten, war längst vorbei.
    Die Celtos und Ibarra erwarteten, dass ich für sie Partei ergriff und in weiteren Kämpfen gegen die Römer zu einem nicht zu unterschätzenden Faktor wurde. Mit meiner Kampfkraft und Geschicklichkeit behauptete ich mich im täglichen Training gegen ein Dutzend Numantier. Die Krieger achteten mich und nahmen meine Ratschläge nur zu gerne an. Ganz besonders in taktischer Hinsicht lehrte ich sie eine Menge.
    »Gib dich keinen Illusionen hin«, bremste Pieva mein eigenes Hochgefühl. »Du und ich bedeuten viel für die Numantier. Doch sie werden nur einen der Ihren als Führer akzeptieren. Ich weiß, wovon ich rede, denn ich bin selbst nur ein Verwalter. Die eigentliche Macht in der Stadt geht von den Druiden aus. Sie bestimmen zu einem Gutteil auch über die weltlichen Dinge.«
    »Aber wir wissen so viel mehr als sie! Wir helfen ihnen, damit sie den Römern gleichberechtigt gegenübertreten können. Ich besitze Kenntnisse in der Schmiedekunst. Ich könnte ihnen zeigen, wie sie mehr Ertrag aus dem Boden holen, Epidemien vermeiden,

Weitere Kostenlose Bücher