Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel - Schartz, S: Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel
Nacht nicht zu dunkel werden.
Sie blickte in seine schwach glitzernden Augen.
Mein Elf
, dachte sie. Ein Märchen war einst wahr geworden. »Es stürmt eine Menge auf mich ein.«
»Kein kleines Geheimnis?«
Sie konnte nichts machen. Sie spannte sich an, und damit wusste er, dass er ins Schwarze getroffen hatte. Wann hatte sie ihm schon je etwas vormachen können? Oder er ihr? Unter anderem deswegen stritten sie ja immer, weil sie es trotzdem versuchten.
»Ich kann darüber nicht reden.«
»Ein Schwur«, sagte er sofort.
»Ja.«
Er küsste sie, und sie wurde weich in seinen Armen.
»Ich nehme an, ohne geht es nicht«, sagte er dann. »Das wird nie möglich sein.«
»Mhm«, machte sie und legte die Arme um seinen Nacken. »Ein anderes Geheimnis will ich dir aber gern verraten. Frag mich danach.«
Seine Zähne blitzten kurz auf, als er grinste. Sein Mund verharrte dicht über ihrem. »Raus damit«, flüsterte er erwartungsvoll.
Sie zog ihn zu sich herab.
19 Neue Ziele
Mitten in der Nacht erwachte Nadja durch ein unbestimmtes Gefühl. Sie vergewisserte sich, dass David schlief, kroch aus dem Bett, warf sich schnell etwas über und schlich hinaus. Auf dem Weg zur Treppe passierte sie das Zimmer ihrer Eltern, aus dem unterdrückte Laute kamen, die nicht schwer zu interpretieren waren.
Nadja grinste verlegen in sich hinein; seltsame Vorstellung, dass ihre
Eltern
Sex hatten … aber daran wollte sie sich gern gewöhnen. Hauptsache, die beiden hatten endlich wieder zueinandergefunden. Diese innige Verbundenheit gab es wahrscheinlich kein zweites Mal. Nadja vermutete, dass nicht einmal ihre Liebe zu David so tief ging, obwohl er durch sie eine Seele erhalten hatte.
Unten vor der Tür lag Sesta und klopfte leicht mit dem Schwanz, als Nadja an ihr vorbeiging. »Psst«, machte sie. Der Hund gähnte, schmatzte und schloss wieder die Augen.
Nadja öffnete die Tür einen Spalt und schlüpfte hinaus.
Sizilien lag schlafend vor ihr. Es war angenehm mild, und nur noch wenige Lichter blinkten unten im Tal. Der Himmel war dunstverhangen, kein Stern konnte sich durch diesen Schleier hindurchkämpfen. In der Ferne dräute der riesige Vulkan wie ein schwarzer Flecken Nichts, doch der Himmel über ihm glühte rötlich, und aufsteigende Aschewolken zeichneten sich vor dem unnatürlichen Licht ab. Zwei glühende, unregelmäßige Striche hoch oben zeigten ausgetretene Magmaflüsse. Doch wie es aussah, würde kein weiterer Ausbruch mehr folgen und sich alles beruhigen.
Es war sehr still. Die Grillen luden zu dieser Zeit erst vereinzelt zum Konzert ein, schon gar nicht mehr nach Mitternacht. Und vermutlich erst recht nicht nach einem Tag wie diesem. Alles brauchte Erholung, selbst die Ziegen schienen in tiefem Schlummer zu liegen.
Für Nadja war diese Stille ungewohnt; daheim in München hörte man wenigstens ein Auto oder in der Ferne ein Flugzeug, aber hier – nichts. Als wäre sie ganz allein auf der Welt. Es war sehr friedlich, aber auch ein bisschen unheimlich. Obwohl es gerade heute keinerlei Grund zur Beunruhigung gab. Die Welt war im Wandel, aber zuerst mussten alle sich an die Veränderung gewöhnen und vor allem wieder Kräfte sammeln –
sämtliche
Seiten.
Auf bloßen Füßen schritt Nadja langsam den Kiesweg ein Stück entlang und sah sich um. Warum war sie aufgewacht und hatte das Verlangen gehabt, nach draußen zu gehen?
Sie erschrak, als sich plötzlich Konturen aus der Dunkelheit schälten und sich jemand auf dem Weg näherte. Die Silhouette einer Frau.
»Morgana«, flüsterte Nadja.
Die mächtige Frau verharrte zwei Meter vor ihr, leicht schwebend. Nadja rechnete ihr hoch an, dass sie nicht einfach wie ein Luftgeist plötzlich auftauchte oder vom Himmel herabsank. All das konnte die Königin von Luft und Dunkelheit, sie war ein ätherischer Geist, dem Ursprung der Geisterwelt sehr ähnlich. Weit mehr als eine Elfe und weit älter.
Welcher Name ihr wahrer war, würde wohl ewig ein Geheimnis bleiben. »Morgana« hatten die Menschen sie einst getauft, entlehnt aus dem griechischen
margaritis
, der Perle, und dem arabischen
margan
, der Koralle. Nichts konnte zutreffender sein.
»Er ist entkommen«, sprach die Feenkönigin mit ihrer unnachahmlich rauchigen Altstimme, und es klang wie das Echo einer Sommernacht.
Nadja wusste, wen sie meinte. »Das war zu erwarten«, sagte sie ruhig. »Ich glaube, es gibt nichts, was den Getreuen auf Dauer aufhalten oder gar vernichten kann.«
»Der Vulkan beruhigt sich.
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