Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel - Schartz, S: Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel
Opfer keineswegs umsonst bringen, nur auf einen bloßen Verdacht hin. Das wäre vielleicht heroisch, aber dumm.
Kurz überlegte sie, ob sie den Schutz auch für die Zwillinge fordern sollte, aber das wäre wohl zu viel verlangt. Sie durfte ihn nicht herausfordern; sein Moment der Schwäche würde vergehen, und dann war sie ihm nicht mehr gewachsen. Für die Zwillinge würden sie alle miteinander einen anderen Weg finden. Ganz so hilflos waren sie nicht, und da war auch immer noch Fanmór.
Dann gilt es?
Ja. Bring mir den untrüglichen und wahren Beweis, dass ich die Unsterblichkeit zurückbringen kann, und du bekommst meine Seele
.
Damit drehte sie sich endgültig um und verließ den Turm.
Letitia schlug die Augen auf und starrte in die Dunkelheit. Sie war wohl nicht lange fort gewesen. Als sie sich bewegte, merkte sie plötzlich, dass sie nicht allein war, und fuhr zusammen. Doch dann erinnerte sie sich. Dies war ja nicht einmal ihr gewohntes, eigenes Bett. Sie entspannte sich und lauschte eine Weile auf Fabios ruhigen Atem, spürte seine Wärme neben sich und genoss diesen Moment der Stille, den sie ganz für sich hatte. Wie sehr hatte sie es gehasst, allein zu schlafen, wie sehr hatte sie ihn vermisst! So viele Jahre. Jede Nacht.
Der Ausflug in die Geisterwelt brannte in ihrer Erinnerung. Das Vorgefallene war … unglaublich. War sie tatsächlich ein Bündnis mit dem Getreuen eingegangen? Und war er zum Verräter geworden, um an ihre Seele zu gelangen? Was, bei allen Göttern und Dämonen, hatte sie da getan? Was hatten sie
beide
getan?
Es war nicht mehr zu ändern, nie mehr rückgängig zu machen. Und sie konnte die seltsame Verbindung, die vielleicht schon seit dem Zeitpunkt ihrer Seelengeburt zwischen ihr und Bandorchus finsterem Vertrauten bestand, nicht leugnen. Er hatte keine Macht über sie, doch er beobachtete sie über die Jahrtausende hinweg, weil er nicht wusste, was ihre Existenz zu bedeuten hatte. Sie hatten nicht darüber gesprochen, aber Letitia war sich ziemlich sicher, seine Identität zu kennen. Sie nahm ihn anders wahr als alle anderen … und er sie umgekehrt ebenso. Wie es aussah, waren sie auf irgendeine Weise aufeinander angewiesen.
Ich müsste mit Fabio darüber sprechen. Und mit Nadja
.
Aber sie würde es nicht tun, das wusste sie. Zum einen hatte sie ihr Wort gegeben, zum anderen sprach sie tatsächlich nie über die Geisterwelt, wie sie sie erlebte. Das war ein ungeschriebenes Gesetz, an das sie sich seit Bestehen ihrer Seele gehalten hatte. Sie teilte ihre Erfahrungen nur mit denjenigen, die dieselben Pfade beschreiten konnten. Und solche hatte es schon lange nicht mehr gegeben. Mit Ausnahme der Toten, doch das war wieder eine andere Sache.
Ich muss es tun!
, schrie der rationale Teil ihres Verstandes, und Letitia pflichtete ihm bei.
Aber sie konnte es nicht.
Ihre Nasenflügel weiteten sich, als Fabio sich plötzlich regte, den Arm um sie legte und sie näher zu sich zog. Sein herber männlicher Duft füllte ihre Sinne, und mit einem Mal sah sie weites, windbewegtes Grasland vor sich, in dem Kräuter blühten und feinfiedrigen Samen abgaben, mit dem die Frühlingsbrise spielte. »Fiomha …«, flüsterte sie, kämmte mit den Fingern durch seinen Bart, verfing sich in seinen Haaren, während er sich über sie beugte. Sie fühlte sich, als wären sie nie älter geworden, spürte das wilde Herz der Jugend in sich schlagen – wie damals, als er sie zum ersten Mal im Arm gehalten hatte. All die Begegnungen, in all den Jahrhunderten, wieder und wieder …
»Julia«, wisperte er rau, strich mit den Lippen über ihre Wange.
In Gedanken sah sie sich und ihn wieder unter der alten Eiche liegen, junges Gras unter blauem Frühlingshimmel, und die Lerche jubilierte hoch im Himmel. Konnte sich ein junges Mädchen mehr Romantik wünschen?
Wie hatte sie nur all die Jahre ohne ihn überlebt …
»Ich war nie wirklich fort und Nadja dir immer ganz nahe«, murmelte er, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Wahrscheinlich dachte er genau dasselbe. »Wir haben nie aufgehört, eine Familie zu sein. Und jetzt sind wir frei.«
Sie wünschte, es wäre so. Doch sie hatte sich bereits in neue Abhängigkeit begeben, nur wenige Augenblicke nachdem sie sich an die Freiheit gewöhnt hatte.
Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht. »Was beschäftigt dich?« Sein Gesicht war matt beleuchtet. Draußen schien zwar noch kein Mond, aber der abziehende Nebel trug das Glühen des Ätna mit sich und ließ die
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