Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel - Schartz, S: Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel
Zeit als Anker.«
»Gibt es noch andere wie ihn?«
»Selbstverständlich.«
»Sie haben wohl schon eine längere Reise hinter sich, Signore?«, fragte Claudio und wirkte verwirrt.
Fabio nickte. »Ja … so kann man sagen.«
»Sie sollten Bücher darüber schreiben!«
»Das überlasse ich besser meiner Tochter.«
»Der Berg«, murmelte Nadja, während sie aus dem Fenster starrte; der Ätna war nun bereits allgegenwärtig. Sie konnte den Blick nicht mehr abwenden.
Schließlich bog das Taxi auf die Tangenziale um Catania herum ab, um die A 16 Richtung Messina zu nehmen.
»Sollten Sie je mit dem Auto allein in Catania unterwegs sein, beachten Sie bitte folgende Regel«, erklärte Claudio, während er sich in den lebhaften Verkehr einfädelte. »Wer zuerst hupt, hat Vorfahrt.«
»Klingt ganz einfach – aber wie merke ich, wer als Erster gehupt hat?«, wollte Nadja wissen, doch ein Beispiel geschah bereits vor ihrem Fenster. Auf der mittleren Spur hatte sich ein Stau gebildet, links und rechts strömten die Autos herbei und hupten alle in verschiedenen Tönen und Rhythmen. Sie hielt sich fest, als Claudio schnell und steil nach links ausscherte, hupend über zwei Spuren wechselte, dann wieder abrupt nach rechts, und den nachfolgenden Verkehr rücksichtslos abdrängte. Mit dieser Methode kam er ungefähr fünfhundert Meter weiter, dann ging gar nichts mehr.
»Na ja, mit einem guten Gehör und ein bisschen Übung ist das ganz einfach«, antwortete der Taxifahrer, ließ die Scheibe herunter und schrie mörderische Flüche nach draußen, die umgehend beantwortet wurden. Das Hupkonzert nahm zu. Ungewohnte Hitze wallte von draußen herein, eine elektronische Temperaturanzeigetafel am Straßenrand meldete 27 Grad. Die Klimaanlage des Wagens arbeitete fleißig und leise.
»Und
das
nützt etwas?« Nadja bezog sich auf das Fluchen.
»Nein, aber so macht man das hier eben.« Claudio pfiff gut gelaunt vor sich hin, der kurze Ausbruch schien ihm gutgetan zu haben. Als ein Wagen versuchte, sich vor ihm in eine Millimeterlücke zu quetschen, setzte er die Schimpftirade heftig gestikulierend fort.
»Ich verstehe«, mischte sich Fabio ein. »Man sollte immer zuerst hupen.«
»Schon bevor man über die Kreuzung oder in die Einmündung fährt, aber man darf dabei nicht langsamer werden, sonst nimmt das keiner ernst. Das ist eine gute, sichere Regel und die einzige, die man sich merken muss – sie funktioniert immer. Und wenn man sie beachtet, kommt man auch durch.«
»Fein.«
»Bis auf Freitagnachmittag.«
»Was ist da?«
»Da gelten überhaupt keine Regeln mehr. Wochenende, und alle wollen nach Hause. Alle hupen gleichzeitig und fahren gleichzeitig. Da können einem nur noch die Heiligen helfen.«
»Verstehe.«
Nadja entschied, aufs Autofahren zu verzichten. Im Taxi war es sowieso viel bequemer.
Schließlich hatten sie auch den Stau hinter sich gebracht und wälzten sich im dichten Verkehr Richtung Süden hinauf zum beliebtesten Badeort der Insel, nach Taormina.
»Wohin wollen Sie da eigentlich genau, Signore?« Fabio nannte die Adresse.
»Ah, Graniti, das ist außerhalb, da müssen wir bei Giardini Naxos abfahren. Kein Problem. Eine Stunde höchstens, dann sind wir da.«
Eine Stunde. Nadja hatte plötzlich das Gefühl, schwitzige Hände zu haben. Sie versuchte, ihre Nervosität zu verbergen, und sah ihrem Vater, der blass und still neben ihr saß, an, dass es ihm nicht besser erging.
Claudio schien das auch zu merken, denn er schwieg den Rest der Fahrt über. Friedlich blau lag das Meer rechter Hand, und die Autobahn führte am Parco dell’Etna vorbei, den der riesige Vulkan fast zur Gänze einnahm. Nadja konnte inzwischen die beiden Krater hoch oben erkennen, aus denen weißgrauer Dampf quoll. Auf dem schmalen Streifen zwischen dem Fuß und dem Meer blühte das Leben, fruchtbares, felsighügeliges Land mit unzähligen Dörfern.
Tafeln wiesen auf das Amphitheater von Taormina und die griechische Ausgrabungsstätte Giardini Naxos hin, als das Taxi die Autobahn verließ und auf die SS 185 Richtung Francavilla di Sicilia fuhr. »Wir fahren am Kalten Fluss entlang, dem Alcántara«, erklang Claudios Stimme wieder. »Ihr könnt ihn nicht sehen, weil er sich durch eine tiefe Schlucht windet und sich zumeist vor den Blicken der Menschen verbirgt.«
»Der Kalte Fluss …«, murmelte Nadja.
»Vom Bodensee führt auch ein unterirdischer Kalter Fluss in den hohen Norden hinauf«, erklärte Fabio scheinbar
Weitere Kostenlose Bücher