Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel - Schartz, S: Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel
unmotiviert.
»Meinst du, darauf sind David und Rian gereist?«, fragte Nadja aufgeregt.
»Sie werden sicherlich auf einen solchen Fluss getroffen sein, früher oder später«, sagte Fabio. »Die Kalten Flüsse verbinden die Welt. Alle Welten. Sie sind die Übergänge, die Grenzlinien.«
»Wie Adern«, ergänzte Nadja, »wie die Ley-Linien.«
»Ganz genau.«
Claudio schwieg, aber er blickte beunruhigt in den Rückspiegel. Er musste das seltsame Paar, das er kutschierte, inzwischen für leicht verrückt halten. Unter normalen Umständen hätte Nadja das amüsiert, aber inzwischen konnte sie ihre Anspannung nicht mehr verbergen.
»Wir sind bald da«, sagte der Taxifahrer nervös und strich über das Hörnchen. Er wollte seine Gäste nun wohl so schnell wie möglich loswerden.
Die Straße war bei lebhaftem Verkehr stellenweise sehr eng und unübersichtlich, Ortschaften reihten sich aneinander, und an jeder Kreuzung standen verwirrende Wegweiser; zum
Etna
ging es meistens in alle Richtungen. Schließlich bog der Wagen nach rechts ab, und dann ging es eine Holperstraße hinauf nach Graniti, wie ein verwitterter Wegweiser versicherte.
Auf dem Marktplatz des urigen Örtchens, das trotzdem eine Kirche aufzuweisen hatte, hielt Claudio an und erkundigte sich nach dem Anwesen der Oresos. Kurz darauf rumpelte der Fiat einen Kiesweg entlang nach oben, und da stand es auch schon. Das aus Steinziegeln errichtete alte Haus lag inmitten eines Gartens mit Orangen- und Zitronenbäumchen, Oleander, Jasmin, Hibiskus und einem uralten Ziehbrunnen. Ziegen liefen in der Nähe des Hauses und meldeten laut meckernd die Ankunft des Autos. Mit wütendem Gekläff stürmte ein massiger, kurzhaariger grauschwarzer Hund mit schwerem Kopf, zu dessen Vorfahren eindeutig Molosser zählten, auf die Ankömmlinge zu.
»Sesta! Silenzio!«, erklang aus der offen stehenden Haustür ein strenger Ruf.
»Sesta?« Über Fabios Gesicht schoss wie ein Lichtstrahl ein Lächeln. Furchtlos stieg er aus. »Ich kannte deine Oma Quarta!« Mit ruhigen Gesten und Worten beschwichtigte er den Hund, und Nadja sah, dass er in Wirklichkeit gar nicht so wild war, wie er tat, und dass die meiste Masse in unzähligen Falten verloren ging, die seinem Gesicht einen kummervollen Ausdruck verliehen, als laste das Gewicht der ganzen Welt auf seinem Rücken.
Lächelnd schüttelte sie den Kopf, zahlte Claudio das vereinbarte Geld und stieg ebenfalls aus. Claudio weigerte sich wegen des Hundes, den Wagen zu verlassen, und sie holten das Gepäck selbst aus dem Kofferraum. Gleich darauf fuhr das Taxi in einer Staubwolke den Weg hinunter, und Nadja war sicher, dass Claudio dabei das Hörnchen fest umklammert hielt.
Sesta machte inzwischen Sitz und hechelte aufgeregt; sie begriff, dass irgendetwas Unerhörtes vor sich ging, aber nicht, was. Vor allem hatte sie keine Ahnung, wer diese seltsamen Fremden waren, die sie auf Anhieb mochte. Nadja musste sich nicht bücken, um ihr den faltigen Kopf mit den langen Schlappohren zu kraulen.
»Komm«, sagte Fabio, nahm das Gepäck und ging voraus.
Nadjas Knie zitterten, als sie ihm folgte, und das Blut rauschte in ihren Ohren. Dazu wurde ihre Nase von dem überwältigenden Duft, der hier herrschte, überfordert, was sie nur noch mehr verwirrte. Tiefblauer sizilianischer Himmel hing dicht über ihr, vom unvermeidlichen Dunst durchsetzt. Die Ziegen hatten sich eine sichere Position gesucht, beobachteten und tuschelten meckernd miteinander.
»Was ist das für ein Aufruhr da draußen?«, schallte erneut die Stimme aus dem Haus. Ein kleiner, drahtiger alter Mann erschien im Eingang, streifte den Fliegenvorhang beiseite und kniff blinzelnd die Augen zusammen. Sein faltiges Gesicht war wettergegerbt, und er trug eine Schiebermütze, dazu die leicht zerschlissene, aber saubere Kleidung eines Bauern. Er hatte die Mitte achtzig sicher schon überschritten.
»Buon giorno, Papa«, sagte Fabio gerührt und blieb stehen.
»Ah«, machte der alte Mann. »Sie sagte, dass du kommen wirst. Ich habe versucht, es ihr auszureden, aber was hat das schon für einen Sinn? Sie hat vor vierzig Jahren nicht auf mich gehört, warum sollte sie es jetzt tun?« Grummelnd verschwand er im Haus, und an seine Stelle trat eine Frau.
»Antonio, wirst du nie Manieren lernen?«, tadelte sie ihren Mann und breitete dann leicht die Arme aus. »Buon giorno, Fabio, gut siehst du aus, aber weiß bist du geworden.« Sie war nur wenig kleiner als ihr Mann, schmal und
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