Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel - Schartz, S: Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel
unten. Dort sind die Grenzen immer noch fließend. Jedenfalls ist hier nichts, was wir suchen. Wir können gehen.«
Vor dem Rückweg fürchtete Nadja sich, denn auf dem extrem abschüssigen Weg konnte sie leicht den Halt verlieren, abstürzen und sich den Hals brechen. Doch die Bäume standen nah genug, dass sie sich an ihnen entlang hinabhangeln konnte und mit wackligen Knien, aber ziemlich flott unten ankam. Dort wartete Max auf sie und nickte anerkennend. »Die meisten trauen sich das nicht mehr. Und man kommt nicht mal auf dem Hintern runter.«
»Ich hatte ja wohl keine Wahl«, gab sie zurück. »Und ganz so untrainiert bin ich nicht.«
»Ich würde nie das Gegenteil behaupten.«
Sie sah Fabio zu, dem der Abstieg so geschickt gelang, als machte er das jeden Tag. Mehr und mehr schien er sich in sein früheres Ich hineinzufinden und sich in seinem wahren Element zu fühlen.
»Odysseus war doch auch mal hier, und …«, begann Nadja.
»Pah, Odysseus!«, unterbrachen sie Max und Fabio gleichzeitig. »Was für ein Angeber!«
»Was er Polyphem antat, war unverzeihlich!«, fügte Fabio hinzu. »Hier wurde die Geschichte von Homer eindeutig geschönt! Odysseus war ein Drecksack wie die meisten Herrscher seiner Zeit und alles andere als ein Held.«
»Als ob sich da heute was geändert hätte«, sagte Max und prustete los.
Und weiter ging es nach oben. Plötzlich, wie abgeschnitten, ließen sie die dunklen Wälder hinter sich, und dann ging es hinauf in die Lavadünen – und Birkenwälder. Nadja blieb der Mund offen stehen vor Staunen. »Ich dachte, Birken wären Sumpfgewächse …«
Nun aber wurde sie eines Besseren belehrt. Aus den schwarzen Sandbergen erhoben sich im scharfen Kontrast schneeweiße, lichte Bäume, deren soeben geöffnete frühlingszarte Blätter unverkennbar zu den Birken gehörten.
»Das hier sind die Monti Sartorius auf 1670 Meter Höhe. Der Forscher lebte hier lange Zeit und versuchte, den Ätna zu verstehen.« Max stellte den Landrover ab und führte Nadja und Fabio auf einem Sandweg zwischen den schwarzen Dünen und lieblichen Birkenhainen hindurch immer weiter hinauf.
Nadja fiel ein wenig zurück und wisperte Fabio zu: »Haben die Elfen hier gelebt? Ich meine, solche wie du?«
»Solche wie ich und andere«, bestätigte er. »Bis vor etwa dreitausend Jahren, dann zogen sie fort.«
»Aber warum?«
»Das wirst du schon sehen, Tochter. Sie gingen in die Alte Stadt und danach … wohin auch immer.« Als Nadja nachhaken wollte, hob er die Hand. »Geduld. Manche Orte haben immer noch hellhörige Ohren, und wir sind hier halb in beiden Welten. Jeder Schritt kann falsch sein, jedes Wort zu viel.«
Die Luft hier oben war kalt und rein, der Himmel schon ganz nah. Nadja kuschelte sich in ihre dicke Jacke, die sie auf Max’ Anweisung hin mitgenommen hatte, und wanderte begeistert durch das stille, verlassene Elfenland, über dem immer noch Zauber lag. Auf manchen Hügeln erhoben sich Pinien schwarz gegen den blauen Himmel und ließen nicht einmal Sonnenlicht hindurch, sondern warfen tiefe Schatten. Sie befanden sich also immer noch in der Menschenwelt, und das war tröstlich.
Auf schmalen, steilen Graten ging es über die Dünen immer weiter aufwärts, bis Max anhielt und auf den rauchenden Hauptgipfel des Ätna zeigte, schon fast greifbar nahe und doch immer noch fast fünfzehnhundert Höhenmeter entfernt. »Einen besseren Blick als von hier gibt es nicht.«
In dieser Höhe gab es kein Leben mehr, eine tote Lavawüste umringte sie. Über ihren Köpfen kreiste ein Falke und pfiff.
»Er sucht unsere Nähe«, sagte Max. »So weit oben rückt man zusammen.«
Der Ausblick war berauschend. Weit nach unten, Richtung Meer, lagen ausgedehnte Nussplantagen und Weinreben, dazwischen Orangen und Zitronen, Mandeln und Oliven. Dort unten blühte das Leben, das der Vulkan schenkte, hier oben jedoch erstickte.
Nadja entdeckte ein ganzes Geröllfeld voller Brocken. Einer sah aus wie ein riesiger Schildkrötenpanzer.
»Lavabomben aus dem Vulkan«, erklärte Max. »Er schleudert sie mit gewaltiger Wucht und Geschwindigkeit aus dem Krater, und sie fliegen wie glühende Meteoriten durch die Luft und zerplatzen beim Aufprall auf dem Boden. In manchen findet man wertvolle Mineralien. Hier sind überhaupt viele zu finden.« Er bückte sich und suchte ein wenig im Sand herum, zog dann ein paar aufblitzende Steine heraus und präsentierte sie auf dem Handteller. Sie glitzerten in allen Regenbogenfarben.
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